Augen zu und durch

■ Atomares Entsorgungssymposium beendet / BRD angeblich Weltspitze in der Atomtechnologie Strauß: „Gorleben nicht der Weisheit letzter Schluß“ / Immer noch kein genehmigtes Endlager

München (taz) - Wenn es auch hinter den Kulissen bröckelt, für die Öffentlichkeit demonstrierten Regierung, Industrie und Wissenschaft auf dem Symposium „Entsorgung von Kernkraftwerken“ in München vier Tage lang Selbstbewußtsein und Zuversicht. Schenkt man dem zur Schau getragenen Optimismus Glauben, dann haben „wir“ nicht nur für die Wiederaufarbeitung ein Anlagenkonzept, das „einmalig und vorbildhaft in der Welt ist“ (Prof. Baumgärtner, TU München). Auch in der Endlagerung soll die BRD Weltspitze sein. Zwar gestand Helmut Röthemeyer von der physikalisch–technischen Bundesanstalt Braunschweig, daß der Schacht des Gorlebener Salzstocks eingebrochen sei. Der genannte Termin Ende April/Anfang Mai für das Erreichen des Salzspiegels bei 150 Meter Tiefe ist damit hinfällig. Dennoch handelt es sich nach Röthemeyer bei Gorleben um das weltweit fortgeschrittenste Endlager für wärmeentwickelnde radioaktive Abfälle. Und für die Eisenerzgrube Konrad bei Salzgitter sei ebenfalls weltweit erstmals die Sicherheit eines Endlagers für nichtwärmeentwickelnde radioaktive Abfälle nachgewiesen. Bis zum Jahr 2000 werden folgende radioaktive Abfallmengen anfallen: -215.000 m3 nichtwärmeentwickelnde Abfälle (davon ein Drittel aus der WAA) -6.000 m3 wärmeentwickelnde Abfälle aus der WAA sowie Brennelemente vom Hochtemperaturreaktor. Für letztere ist Gorleben vorgesehen, dessen Inbetriebnahme für Ende der 90er Jahre vorhergesagt wurde. Die „kalten“ Abfälle sollen ab 1991 in die Schachtanlage Konrad wandern. Über 40 Jahre nach Beginn der Atomenergierüstung gibt es damit immer noch kein genehmigtes Endlager. Doch das ficht Prof. Klaus Kühn von der Gesellschaft für Strahlen und Umweltforschung (GSF) Neuherberg nicht an. Er sieht weder einen Mengen– noch einen Zeitdruck bei der Endlagerung radioaktiver Abfälle, obwohl sowohl Vertreter des Bundesumweltministeriums wie auch der deutschen Gesellschaft für die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen (DWK) darauf hinwiesen, daß Mitte der 90er Jahre der notwendige Entsorgungsnachweis für die deutschen AKWs nicht mehr über Auslandsverträge erbracht werden kann. Daß der Gorlebener Salzstock möglicherweise „nicht der Weisheit letzter Schluß ist“, blieb dem bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß vorbehalten zu erwähnen. Damit deutet sich eventuell ein integriertes Entsorgungskonzept Bayern an. Joachim Mischke, für die Errichtung der WAA zuständiges Vorstandsmitglied und nach eigenen Aussagen „kein Scherge einer profitsüchtigen Industrie“, verwies darauf, daß bei dem Wackersdorfer Projekt keine technische Entwicklung und Forschung mehr betrieben werde. Die Anlage beruhe auf Kenntnissen, so der Maschinenbauer, die ein Menschenalter alt seien - eine Formulierung, die man so oder ähnlich sehr häufig auf dem Symposium hören konnte. Unklar blieb dabei, worin dann allerdings der „technologische Fadenriß“ bestehen sollte, den mehrere Redner an die Wand malten, falls die WAA gestoppt und die direkte Endlagerung vorgezogen werden sollte. Problematisch scheint nach wie vor die radioaktive Belastung der Bevölkerung in der Umgebung der WAA Wackersdorf. So erreicht die von der GSF berechnete Schilddrüsendosis durch radioaktives Jod 60 Grenzwertes von 900 Millisivert, nachdem der Transferfaktor für den Übergang Boden/Pflanze für den Standort nach Messungen 15 mal höher angesetzt werden mußte, als in den Berechnungsgrundlagen des Bundesinnenministeriums vorgesehen. Die DWK, die wohl bei weiteren Korrekturen eine Grenzwertüberschreitung befürchtet, nahm diese Werte zum Anlaß, einmal das falsche Bild vom „Fitz zwischen Betreibern und Gutachtern“ zu korrigieren. Rolf Gasteiger, bei der DWK–Anlagensicherheit zuständig, sparte nicht mit Kritik am Bundesinnenministerium. Der alleinige Zweck der Rechnenden sei, der Strahlenschutzverordnung auf dem Papier genüge zu tun. Doch bei diesen Berechnungsgrundlagen handle es sich um ein „verrücktes, irreales Rechenmodell“. Karaman