Convent für „Ehre und Vaterland“

■ Alljährliches Pfingsttreffen der schlagenden Studentenverbindungen in Coburg / Steigende Mitgliederzahlen Viertägiges Gelage mit nationalistischem Gedankengut / Demonstrationsaufruf von VDS, Grünen und VVN

Von Bernd Siegler

Alljährlich zu Pfingsten geschieht in der oberfränkischen Stadt Coburg Seltsames. Manche Einwohner verlassen fluchtartig die ehemalige Residenzstadt, andere hingegen schmücken ihre Häuser mit eigens vom Fremdenverkehrsamt geliehenen Fahnen. Der Grund: Über Pfingsten gehört die 45.000 Einwohner zählende Stadt den Studentischen Landsmannschaften und Turnerschaften. Sie treffen sich zum Coburger Convent (CC). Wenn sich die Zusammenkunft von etwa 5.000 Korporierten dieses Jahr zum 119. Mal jährt, soll das Spektakel diesmal nicht unwidersprochen über die Bühne gehen. Die Vereinigte Deutsche Studentenschaften (VDS), Grüne, VVN und Antifaschistische Gruppen rufen für Pfingstmontag zur „Demonstration gegen Nationalismus, Revanchismus und Kriegsvorbereitung“ auf. Etwa 100 schlagende Studentenverbindungen mit 5.000 aktiven Mitgliedern sind bundesweit im Coburger Convent, der drittgrößten Dachorganisation studentischer Korporationen in der Republik, zusammengeschlossen. In den letzten zehn Jahren hat sich damit die Mitgliederzahl mehr als verdoppelt. Hinter dem CC stehen 23.000 sog. Alte Herren. Die ehemaligen Studenten bekleiden heute meist Führungspositionen in Politik, Justiz, Wirtschaft und Militär. Großzügig finanzieren sie die Studentenverbindungen und protegieren deren Mitglieder nach dem Examen in gehobene Stellungen. Im Gegensatz zu den Burschenschaften lassen die Landsmannschaften keine Gelegenheit aus, ihren unpolitischen Charakter zu betonen. Doch schon die Losung „Ehre, Freiheit, Freundschaft, Vaterland“ weist auf den ideologischen Background der Verbindungen hin. Zwar verweisen CC– Mitglieder immer wieder darauf, daß sie mit der Verbandsauflösung 1936 einer zwangsweisen Liquidation des CC durch die NSDAP zuvorgekommen seien, doch schon auf ihrer Jahrestagung 1933 in Coburg dankten die versammelten Landsmannschaften „dem Volkskanzler Adolf Hitler für seinen Kampf für Freiheit und deutsche Ehre“ und gelobten „treue Gefolgschaft“. Auch heute spielen „Volk“, „Vaterland“, „Ehre“, „Elite“ und „Leistung“ eine bedeutende Rolle im Wertegefüge des landsmannschaftlichen Lebens. Den Kampf gegen die Mittelmäßigkeit „mit dem Mut waffenstudentischer Tradition“ hat sich der CC auf seine Fahnen geschrieben. In der „verweichlichten Gesellschaft“ sei die Bildung einer „Elite durch Leistung und Charakter“ dringend erforderlich, stellte Dr. Hans–Joachim Harder auf dem Festkommers des CC 1986 fest. Ausbildungsbeihilfen passen ebensowenig in dieses Elitedenken wie die verfaßte Studentenschaft oder der „Bummelstudent“. Im Ehrenkodex der schlagenden Verbindungen steht die Pflichtmensur an oberster Stelle. Männlich mutiges Standhalten soll dabei erprobt werden - Frauen haben hier ebenso keinen Platz wie Behinderte oder Ausländer. Ordentliches Mitglied des CC kann sowieso nur werden, „wer der deutschen Sprach– und Kulturgemeinschaft angehört“, schreibt die Satzung vor. Das Lebensbundprinzip, der Mythos der ewigen Freundschaft, soll den Zusammenhalt der Verbindung ebenso wie die Unterordnung in die strenge Verbandshierarchie stärken. Das Conventsprinzip beinhaltet das Einfügen in die Gemeinschaft, sprich die Unterordnung in die strenge Verbindungshierarchie. Entsprechend dieser Werte verläuft auch der Coburger Convent, der heute mit dem Einzug der Chargierten (Farbentragenden) auf dem Marktplatz beginnt. Nach Sportturnieren, Präsidiumssitzungen und Festkommers ziehen am Pfingstmontag die Chargierten mit den Honoratioren der Stadt zum Ehrenmal des CC im Hofgarten. Dort wird dem Heldentod der Soldaten gedacht, „die ihr Leben hingaben für die Ideale der Freiheit und der Vaterlandsliebe“. Höhepunkt des Convents jedoch ist die Mahnstunde Montag nacht auf dem Marktplatz. Vom Rathausbalkon beschwören Landsmannschaftsvertreter im Fackelschein und unter Trommelwirbel die deutsche Einheit, während die Korporierten ehrfürchtig in Reih und Glied lauschen. Anschließend werden alle drei Strophen des Deutschland–Liedes abgesungen. Das sei schließlich der „Ausdruck unserer Liebe zu einem einig deutschen Vaterland“, rechtfertigt sich der CC. Doch Initiatoren für die Gegendemonstration ist der CC ein Repräsentant des deutschen Nationalismus. Es handele sich nicht um ein paar „ewig Gestrige“, sondern im Gegenteil angesichts der Positionen der Alten Herren „um einen relevanten politischen und ökonomischen Machtfaktor“. Für die Stadt bedeutet der Convent immerhin allein eine Umsatzsteigerung um weit über eine Million Mark. Die Hotelzimmer - so vermeldet Verkehrsdirektor Paskuda stolz - sind schon auf Jahre hinaus für Pfingsten ausgebucht. Die Gastronomie erzielt bei erhöhten Preisen traumhafte Gewinne. Die Stadt erweist daher dem Convent ihre Referenz, verdankt sie doch auch ihm den Titel einer Kongreßstadt. Straßen werden abgesperrt, die Sperrstunde aufgehoben und Schulen als Schlafquartiere zur Verfügung gestellt. Oberbürgermeister Höhn (CSU) hält die Begrüßungsrede und die Polizei drückt beide Augen zu angesichts des immensen Alkoholkonsums und der daraus resultierenden Trunkenheitsfahrten, Schlägereien, Anpöbeleien und Ruhestörungen. Der CC appelliert dabei an die Toleranz der Bevölkerung: „Haben Sie Mitleid mit unseren jungen Freunden. Die haben nun drei Nächte kein Bett gesehen und haben sich der Biervertilgung widmen müssen. Da kann das schon mal vorkommen.“ 7.6., ab 14.00 Uhr: Open–Air–Festival „Rock gegen Rechts“ in Meedern bei Coburg. Am Pfingstmontag um 16.00 Uhr Demonstration am Hauptbahnhof in Coburg, um 23.00 Uhr Mahnstunde.