Mediengesetz: Schlappe für Späth

■ Bundesverfassungsgericht erklärt Teile des baden–württembergischen Landesmediengesetzes für verfassungswidrig / Öffentlich–rechtliche Sender dürfen lokale und regionale Programme ausstrahlen

Aus Karlsruhe Rolf Gramm

Die Opposition im Stuttgarter Landtag sah gestern Grund zum Jubel. Nur wenige Wochen, nachdem das Bundesverfassungsgericht mit seinem Boxberg–Urteil ein Renommier–Projekt der Späthschen Landesregierung kassiert hatte, erklärten die Karlsruher Richter nun Teile des baden– württembergischen Landesmediengesetzes für verfassungswidrig. Mit dem gestern veröffentlichten Beschluß kippte das Bundesverfassungsgericht insbesondere die Teile des Mediengesetzes, die die öffentlich–rechtlichen Medien von der Veranstaltung lokaler und regionaler Rundfunkprogramme ausschließen. Diese Regelung, so die Richter, bedeute „im Umfang ihrer Reichweite eine Unterbindung publizistischen Wettbewerbs und geistiger Auseinandersetzung“. Die Richter folgten damit in wesentlichen Teilen einer vom Südwestfunk und Süddeutschen Rundfunk eingelegten Verfassungsbeschwerde. „Um den privaten Anbietern eine Aufbauchance zu geben“, wollte die Späth–Regierung in ihrem Landesmediengesetz den lokalen und regionalen Bereich von der Kon kurrenz der öffentlich–rechtlichen Anstalten freihalten. Mit der baden–württembergischen Medienordnung sollte vor allem der weitere Betrieb des Stuttgarter Frühstücksradios, das geplante „Frankenradio“ in Heilbronn und ein Lokalsender für Karlsruhe verhindert werden. Die verfassungsrechtliche Gewährleistung der Rundfunkfreiheit, so führten die Richter jetzt aus, verwehre es dem Gesetzgeber prinzipiell, die Veranstaltung bestimmter Programme zu untersagen und sie ausschließlich Privaten vorzubehalten. Die Landesrunkfunkanstalten könnten nicht auf die „ Grundversorgung“ eingeschränkt werden. Es erscheine wenig folgerichtig, das bisherige „Monopol“ der öffentlich–rechtlichen Anstalten zu beseitigen, im gleichen Atemzug aber für bestimmte Programme ein „Monopol“ privater Veranstalter zu begründen. Mit dem Gedanken der Stärkung der Meinungsvielfalt sei es auch unvereinbar, daß den Privaten die Aufgabe einer „publizistischen Konkurrenz“ gegenüber den öffentlich–rechtlichen Sendern zugemessen werde, dies aber umgekehrt nicht gelte. Fortsetzung Seite 2 Bei Knappheit von Frequenzen oder Kanälen könnten die öffentlichen Anstalten zwar keinen Vorrang, wohl aber Gleichberechtigung bei deren Vergabe beanspruchen. Der Grundsatz der publizistischen Konkurrenz als „Lebenselement der Meinungsfreiheit“ sei gerade im lokalen und regionalen Bereich von besonderer Bedeutung. Hier nämlich sei die Zahl der Anbieter erheblich niedriger als im überregionalen Bereich. „Häufig, wenn nicht in der Regel, wird es sich um eine Zeitung handeln“. Ein Monopol für Privatveranstalter würde hier wirksame publizistische Konkurrenz weitgehend oder gar gänzlich unterbinden. Weil das Verfassungsgericht gleichzeitig einige Regelungen des Mediengesetzes bestätigte - zu nennen ist hier vor allem das Werbeverbot im öffentlich–rechtlichen Regionalfunk -, mochte die CDU–Landesregierung in einer ersten Stellungnahme nicht von einer „Schlappe“ sprechen. Regierungssprecher Matthias Kleinert sah durch den Richterspruch im Grundsatz das Landesmediengesetz bestätigt. Die Oppositionsparteien SPD, FDP und Grüne, die bei der Gesetzesdebatte alle gegen die Privilegierung des Privatfunks aufgetreten waren, sahen sich dagegen durch das Verfassungsgericht durchweg in ihrer Haltung bestärkt. Grünen–Fraktionschef Fritz Kuhn erklärte gegenüber der taz: „Späth hat mit seinem Versuch eins auf die Nase gekriegt, den Privaten ein goldenes Bett zu bereiten“, und SPD–Chef Ulrich Maurer verwies auf „eine lange Pannenspur der Landesregierung“ im rechtlichen Bereich, die darauf hinweise, daß „wichtige Vorhaben nicht seriös vorbereitet würden“. „Sehr zufrieden“ zeigten sich auch die Intendanten von SDR und SWF, Hans Bausch und Willibals Hilf. Das Gericht, so Bausch, habe bestätigt, daß Gesetzgeber „nicht in die Selbstverwaltungsrechte, nicht in die Programmgestaltung und auch nicht in das Ausmaß der Programme eingreifen“. Damit seien auch für andere Bundesländer Schranken gezogen. Bausch kündigte an, daß der SDR die regionalen Sender in Heilbronn und Karlsruhe noch vor der privaten Konkurrenz beginnen werde. Sauer war dagegen der „Bundesverband Kabel und Satellit“. Für ihn ist der Spruch der Verfassungsrichter „ein Freibrief für den Verdrängungswettbewerb“ gegen die privaten Anbieter. (AZ: 1 BvR 147/86 und 1 BvR 478/86)