US–Wirtschaft in Nöten, Japan und BRD sollen helfen

Der erfahrene Gipfel–Beobachter weiß es: Auf den regelmäßigen Weltwirtschaftsspektakeln finden keine tatsächlichen Verhandlungen über den besten ökonomischen Pfad auf unserem Globus statt. Man kann nur hoffen, daß die Akteure sich auch diesmal an den eingespielten Brauch halten und am traditionellen Kamin einen Plausch über Gott und die Welt der ökonomischen Problematik vorziehen. Sollten sie sich dagegen an die offiziell vorgegebene Tagesordnung halten, es wäre vergeudete Zeit. Sie hat mit den dahinterstehenden Problemen so viel zu tun wie der Versuch, mittels einer Erhöhung der Vergnügungssteuer der Verschuldung der Dritten Welt zu Leibe zu rücken. Da die Vertreter der Industriestaaten unter sich bleiben und unbehelligt von Problemen der Schuldnerländer tagen, darf Präsident Reagan erneut die Themen bestimmen. In seiner wöchentlichen Rundfunkansprache nannte Reagan als wichtigste Themen den Afghanistankonflikt, die Situation der Menschenrechte in der Sowjetunion, die gegenwärtigen Abrüstungsbemühungen sowie die Beseitigung der europäischen Agrarsubventionen. Mehrere Delegationsteilnehmer äußerten unmittelbar vor Beginn des 13. Weltwirtschaftsgipfels überwiegend Skepsis und die Befürchtung, daß die gespannte Lage im Persischen Golf, Abrüstungsfragen oder die Bekämpfung von AIDS die Erörterung internationaler Handelsprobleme überlagern könnten. Reagans wichtigste Forderung auf wirtschaftlichem Gebiet ist, daß die übrigen Industrieländer, allen voran Japan und die Bundesrepublik, die Weltkonjunktur ankurbeln. Als ob damit das exorbitante Handelsbilanz–Defizit der USA von 170 Milliarden Dollar angepackt werden könnte, das die amerikanische Wirtschaftskraft existenziell bedroht und deshalb erneut in den Medien als das Gipfel–Thema gehandelt wird. Japan am Pranger Japan als derzeitige weltwirtschaftliche Buh–Nation Nummer1 zieht bei dem Spielchen mit. Die Tokioter Regierung hat pünkt lich zum Gipfel ein aufsehenerregendes Konjunkturprogramm aufgelegt: Umgerechnet 60 Milliarden DM will sie in die Wirtschaft pumpen, um direkt oder indirekt über größere Binnennachfrage die japanischen Bestellungen ins Ausland anzukurbeln. Experten haben errechnet, daß das Ganze trotz dieser Ausmaße den japanischen Außenbilanz–Überschuß bestenfalls um 1,5 Milliarden Dollar verringern würde. Selbst wenn der gesamte Import dem US–Handel zugute käme, wäre dies bei einem jährlichen transpazifischen Saldo von 55 Milliarden Dollar (1986) kaum der Rede wert. Je länger jedoch die USA ihre Handels– und Leistungsbilanzdefizite hinnehmen, desto prekärer werden die Schulden des Landes. Ohnehin bereits weit vor Brasilien Auslandsschuldner–Nation Nr. 1, dürften die externen Verbindlichkeiten des Landes bis Anfang der 90er Jahre auf 800 Milliarden Dollar anwachsen, wie eine Untersuchung des Internationalen Währungsfonds (IWF) ergeben hat. Dann wird es nur noch eine Frage der Zeit sein, bis man alle Schulden der Dritten Welt insgesamt (zur Zeit gut 1.000 Milliarden Dollar) überholt hat. 800 Milliarden Dollar würden nach heutigen Bedingungen jährliche Zinszahlungen von 60 Milliarden Dollar bedeuten. Wollten die USA diese pünktlich bezahlen, wie sie dies heute von ihren Schuldnern verlangen, müßten sie über den Ausgleich ihrer Handelsbilanz hinaus für 60 Milliarden exportieren. Das sind die Zahlen, über die Präsident Reagan mit seinen Kollegen am Kamin plauschen darf. Unverkäufliche US–Waren Die IWF–Berechnungen basieren auf einem Dollarkurs von 1,95 bis 2,00 DM. Inzwischen ist er etwas abgesackt und hat dadurch bessere Ausgangsbedingungen für den US–Export geschaffen. Die Ausfuhr rollt trotzdem nicht an. Das liegt einmal an der Unbrauchbarkeit der eigenen Handelsware, wie unisono Experten hüben und drüben bestätigen. Bei wachsender Integration des Weltmarktes rächt es sich jetzt, daß sich die Vereinigten Staaten aufgrund ihres gigantischen Binnenmarktes kaum an den Weltmarkt–Standards ausrichten mußten. Wesentliche Ursache der bleibenden Defizite im US–Außenhandel ist jedoch, daß der Dollar bei seinem Abstieg schlicht auf halber Strecke stehen geblieben ist. Legt man das Kaufkraftverhältnis zugrunde, das ja eigentlich bestimmend sein sollte für Ex– wie Import, ist der Dollar mit 1,80 DM erheblich überbewertet. Seit 1979/80 sind die Preise zwischen Long Iland und Los Angeles um 25 Prozent stärker gestiegen als in der Bundesrepublik. Verglichen mit den 1,80, die der Dollar seinerzeit schon einmal kostete, müßte er daher heute bei 1,35 und 1,40 DM liegen, wie kürzlich im Wirtschaftsdienst des Hamburger Instituts für Weltwirtschaft nachzulesen war. Entsprechend dem damaligen Tiefststand von 1,71 gehörte er heute auf 1,25 DM. Bevor Alan Greenspan zum designierten Nachfolger Paul Volckers als Chef der US–Zentralbank avancierte, meinte er mehrfach, der Dollar müsse noch stärker fallen. Man darf gespannt sein, ob er den Realismus in sein neues Amt hineinretten wird? Genau das aber darf bezweifelt werden. Eine angemessene Dollarabwertung würde nämlich auf einen rettungslosen Vertrauensschwund der internationalen Anlegerszene hinauslaufen. Ihr Vertrauen und ihr Geld brauchen jedoch die USA, um ihr rüstungsbedingtes Haushaltsdefizit zu finanzieren (im Fiskaljahr 86/87 221 Milliarden Dollar; die gesamte öffentliche Hand der USA ist mit 7.000 Milliarden Dollar verschuldet). Den anstehenden Vertrauensschwund werden die Experten um Greenspan und Reagan nur auffangen können, wenn die Zinsen im Lande wieder gewaltig anziehen. Nur so werden die Konten im Lande der wachsweichen Währung für die Anleger attraktiv bleiben. Aber von Wirtschaftsaufschwung wird in dem Land der anziehenden Zinsen dann erstmal niemand mehr sprechen. Ulli Kulke