Berliner Mauer überrockt

■ Während vor dem Westberliner Reichstag die „Eurhythmics“ und David Bowie spielten, gab es in Ostberlin Auseinandersetzungen zwischen Vopos und Fans

Berlin–Ost/West (ap/dpa/taz) - Die Schwallwellen von David Bowie und den „Eurhythmics“, die an Pfingsten vor dem Westberliner Reichstag rockten, erregten auch in Ostberlin Fans und Volkspolizisten. Während in Westberlin 60.000 zahlende Zuschauer live dabei waren, kam es im Osten der Stadt beim Brandenburger Tor am Samstag und Sonntag zu schweren Auseinandersetzungen zwischen der Volkspolizei und Fans, die in unmittelbarer Nähe der Mauer die Konzerte wenigstens akustisch und in Festival–Atmosphäre miterleben wollten. Durch scharfes Vorgehen der Vopos insbesondere in der Nacht zum Montag entwickelte sich aus der Zuhörerschar von schließlich rund 3.000 Leuten eine politische Demonstration. Rufe wie „Die Mauer muß weg“, „Wir wollen Freiheit“, „Wir machen es so wie in Kreuzberg“ wurden skandiert. Nach Augenzeugen nahmen die Vopos mindestens 30 Personen fest. Während des Konzerts der „Eurhythmics“ durchbrachen rund 1.000 Jugendliche eine Polizeikette, die die Prachtstraße „Unter den Linden“ absperren sollte. Die Vopos gingen daraufhin mit gezogenen Schlagstöcken gegen die Menge vor. Nach Aussagen von Beobachtern schlugen sie jedoch mit den Stöcken nicht zu. Jugendliche warfen Steine und leere Büchsen auf die Vopos. Fortsetzung auf Seite 2 Kleinere Auseinandersetzungen hatte es bereits am Samstag wäh rend des Konzerts von David Bowie gegeben. Rund 400 Fans waren in die Mauernähe gezogen und kletterten teilweise auf Schornsteine und Dächer, um David Bowie, der auch die „Leute hinter der Mauer“ grüßte, zu hören und zu sehen. Die Beschallung des Ostsektors der Stadt war ausgezeichnet: Ohrenzeugen konnten den Bowie–Auftritt noch innerhalb von Theatern makellos miterleben. Als die Menge der Fans anwuchs, holten die Vopos Verstärkung, kesselten die Versammelten ein und drängten sie ab. Dabei kam es zu ersten Rangeleien, ein Photograph wurde festgenommen. Nach übereinstimmender Aussage mehrerer von der taz Befragter, waren es überwiegend Rockfans um die 20, die die Konzerte in Open–Air–Atmosphäre miterleben wollten. Kaum jemand aus der DDR–Öko– und Friedensszene sei dabei gewesen. Erst nach dem Eingreifen der Polizei wären politische Sprechchöre aufgekommen. Schon bei früheren Konzerten vor dem Reichstag hatten sich in Ostberlin Fans gruppenweise an der Mauer versammelt. Teilweise war das Gebiet auch abgesperrt gewesen. Zur Auseinandersetzung dieser Größenordnung war es zwischen Vopos und Zuhörern jedoch nicht gekommen. Vor fast zehn Jahren allerdings gab es auf dem Ostberliner Alexanderplatz nach unbestätigten Berichten bei Straßenschlachten zwischen Jugendlichen und Polizei vier Tote, als ein Rockkonzert aus Anlaß des 28. Jahrestages der DDR– Gründung abgebrochen wurde. ci