Aufwartung bei der Hanns–Seidel–Stiftung

■ Zur Zeit hält sich der uruguayische Präsident Julio–Maria Sanguinetti auf Staatsbesuch in der Bundesrepublik auf / Er will nicht nur das Kulturabkommen unter Dach und Fach bringen und bei bundesdeutschen Investoren Klinken putzen, es geht vor allem um Polizeihilfe

Aus Montevideo Gaby Weber

Die Stiftung aus der Bundesrepublik hatte geladen, und alle waren gekommen: Banker, Geschäftsleute, Politiker, Journalisten und sogar Gewerkschafter waren am 4.Juni im vornehmen Parque–Hotel in Uruguays Hauptstadt erschienen, um bei kaltem Buffet das neuste Wirtschaftsprogramm der Regierung zu erfahren. „Treffen mit der Wirtschafts–Mannschaft“ - so lautete der Titel der Veranstaltung unter Schirmherrschaft der CSU–nahen Hanns–Seidel– Stiftung. Staatspräsident Julio–Maria Sanguinetti war mit seinen wichtigsten Männern gekommen und versprühte mehrere Stunden lang vom Podium herab den Eindruck, er befinde sich im Parlament und gebe eine Regierungserklärung ab. Wer aus dem Publikum eine Frage an seinen Präsidenten stel len wollte, mußte sie auf ein Formular der Stiftung schreiben und von den Organisatoren zensieren lassen. Mit dem Kolloquium hatten die Bayern der Regierungspartei Uruguays Gelegenheit zur vornehmen Selbstdarstellung gegeben - zwei Wochen vor Sanguinettis wichtigem Staatsbesuch in der Bundesrepublik. Bonn ist inzwischen zweitgrößter Abnehmer uruguayischer Waren geworden - also noch vor Argentinien - und drittgrößter Lieferant. Und die Beziehungen sollen noch enger werden. Vor kurzem wurde das „Abkommen zur Förderung und Schutz von Investitionen“ unterzeichnet. Darin wird dem deutschen Kapitalanleger Steuerbefreiung und Gewinnrückführung garantiert. Obwohl das Gesetz in Montevideo noch nicht vom Parlament ratifiziert worden ist, wird bereits mit einer Welle deutscher Investoren gerechnet, die sich über Uruguay Zugang zu den Märkten der Nachbarländer Brasilien und Argentinien versprechen. Uruguay, das bei internationalen Gläubigern mit insgesamt fünf Milliarden Dollar in der Kreide steht, hat im vergangenen Jahr ein Umschuldungsabkommen unterzeichnet. Nachdem seither jedoch die Zinsen drastisch gestiegen sind und Länder wie Mexiko und Argentinien wesentlich günstigere Bedingungen herausschlagen konnten, drängt Sanguinetti auf Neuverhandlungen: Für die Zinsen muß eine verbindliche Obergrenze festgelegt werden, die Höhe des Schuldendienstes sich nach der Zahlungsfähigkeit der betroffenen Länder richten. Auf Sanguinettis Programm steht nach dem Empfang durch Bundespräsident von Weizsäcker und Besuchen bei Kohl und seinen Ministern Stoltenberg, Bangemann, Klein und Genscher heute auch ein Abstecher nach München. Höhepunkte sind die Aufwartung bei Franz Josef Strauß und ein Besuch bei der Hanns–Seidel–Stiftung. Dort kann sich San guinetti wie zu Hause fühlen. Seit 1983 ist die Stiftung in Uruguay vertreten, sie hat schon in der letzten Phase der Diktatur Sanguinetti als ihren Mann angesehen und ihn ins gelobte Land, nach Bayern, eingeladen. Systematisch fördert die weiß–blaue Stiftung eine „Beratungs–Gruppe für Perspektiven des 21.Jahrhunderts“ um den Arbeitsminister Hugo Fernandez Faingold - eine Gruppe, die merkwürdigerweise in der uruguayischen Polit–Szene unbekannt ist. Daneben arbeitet die Seidel–Stiftung eng mit dem Unternehmerverband zusammen. Auch beim Aufbau einer neuen Polizeitruppe ist, so erfuhr die taz in einem Gespräch mit dem Innenministerium Uruguays, die Stiftung behilflich. Antonio Marchesano wurde im März von den CSU–Ministern Zimmermann und Klein (BMZ) nach eigener Aussage „besonders freundlich“ empfangen. Marchesano ist, wie er sagt, häufiger Gast bei der bayerischen Stiftung. Daß in der Bundesrepublik Zweifel an der demokratischen Gesinnung der uruguayischen Polizei bestehen, kann sich der Innenminister gar nicht vorstellen. Während des Staatsbesuches - so Marchesano - werde Staatspräsident Sanguinetti jedenfalls überall den Demokratisierungsprozeß seines Landes preisen. Dabei ist der Übergang von der Diktatur zur Demokratie in Uruguay fast ohne personelle Veränderung vollzogen worden. Die Folterer von früher wurden amnestiert und machen weiterhin Karriere. Ehemalige Gefangene werden auf der Straße von ihren Folterern begrüßt, mal in Zivil als Leibwächter von Politikern, mal in Uniform. Auch die Methoden bestehen bis heute fort. Da wird ein Eierdieb auf dem Revier krankenhausreif geschlagen und der Scheckbetrüger mit Elektroschocks verhört. Die Spezialeinheit der Polizei, OCOA, die Anfang der 70er Jahre zur „Koordination der anti–subversiven Aktionen“ gegründet wurde und die die Folter gegen alle Regimegegner eingesetzt hat, ist keineswegs abgeschafft. Das Konzentrationslager „Libertad“, in dem Tausende von Regimegegnern einer Gehirnwäsche unterzogen wurden, wurde nach der Amnestie der Politischen mit sozialen Gefangenen belegt. Im letzten halben Jahr wurden dort zwei Gefangene von Beamten erschossen, drei weitere starben durch mysteriöse Selbstmorde. Die Menschenrechtsverletzungen von gestern und heute werden von der Regierung beschönigt, allen voran von Innen– und Verteidigungsminister. Beispiele: Der langjährige Gefängnisarzt Oberstleutnant Marabotto wurde wegen Verstoßes gegen die ärztliche Ethik aus dem Medizinerverband ausgeschlossen. Er hatte, wie zahlreiche Zeugen bekundeten, in mehreren Fällen Gefangenen die Hilfeleistung verweigert und sie dem Tod preisgegeben. Verteidigungsminister Chiarino stellte sich vor Marabotto: Er sei ja von einem militärischen Ehrengericht von allen Vorwürfen freigesprochen worden. Während der 12jährigen Diktatur haben insgesamt 50.000 Regimegegner im Gefängnis gesessen, und fast alle sind gefoltert wurden. Ende Dezember 1986 verabschiedete die Regierung ein Gesetz, das alle Menschenrechtsverletzungen von der Strafverfolgung ausnimmt. Die Mütter der Verschwundenen wollen es durch eine Volksabstimmung zu Fall bringen; dafür brauchen sie 550.000 Unterschriften, das entspricht einem Viertel aller Wahlberechtigten. Mitte Juni wurde in Montevideo bekanntgegeben, daß bereits 480.000 Unterschriften gesammelt seien. Anfang Juni beauftragte der Militärstaatsanwalt den Oberst Sambucetti, die Fälle der Verschwundenen zu ermitteln. Nur nach einer amtlichen Prüfung kann Straffreiheit für die uniformierten Mörder erteilt werden. Die Angehörigen der Verschwundenen weigerten sich, der Vorladung des Militärstaatsanwaltes Folge zu leisten. Alle Fakten seien bekannt, und schon vor Monaten habe der Oberste Gerichtshof die Ziviljustiz und nicht die militärische für zuständig erklärt. Ihre mangelnde Kooperation hielt der Verteidigungsminister für „enttäuschend“, da der Militärstaatsanwalt „sein höchstes Vertrauen verdiene“. Sambucetti übrigens wird selbst als Folterer verdächtigt: Er soll nach Aussagen einer Gefangenen die Augenbinde mit den Worten abgenommen haben: „Du hast ja gar nicht geweint, zurück in die Folter.“ Eine Vergewaltigung von Gefangenen müsse differenziert beurteilt werden, hatte vor kurzem der Innenminister erklärt. Man müsse unterscheiden, so Marchesano, ob sie lediglich der Befriedigung sexueller Bedürfnisse des Soldaten gedient habe oder dem Wunsch, Informationen zu erlangen, sprich im Dienste des Vaterlandes geschehen sei.