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Fatale Erinnerungen

■ Bonner Abwarten kann in Chile tödliche Fakten schaffen

Koalition zerstritten über die Aufnahme von vierzehn chilenischen Todeskandidaten - Genscher dafür, Zimmermann dagegen. Die Schlagzeilen der letzten zwei Tage wecken die Erinnerung an eine Situation, in der sich Außen– und Innenministerium in einer ähnlichen Frage schon einmal gegenseitig blockierten, bis sich das Problem von selber löste. Das Stichwort ist Kemal Altun. Altun, ein türkischer Flüchtling saß in Berlin im Knast, die türkische Regierung forderte seine Auslieferung. Wie jetzt bei den Chilenen war der politische Hintergrund der ihm vorgeworfenen Tat unstrittig, wie jetzt bei den Chilenen konnten Genscher und Zimmermann sich nicht darüber einigen, ob es sich um einen politischen Flüchtling handelt, dem Asyl zusteht, oder einen Kriminellen, den es auszuliefern gilt. Wie jetzt den Chilenen drohte Kemal Altun in seinem Heimatland die Todesstrafe. Der Ausgang der Auseinandersetzung im August 1983 ist bekannt: Nachdem Kemal Altun sich aus dem Fenster des Gerichts in den Tod gestürzt hatte, beeilte sich das gesamte Kabinett mit Ausnahme Zimmermanns zu beteuern, es sei ernsthaft nicht daran gedacht gewesen, Altun auszuliefern. Diese Heuchelei droht sich zu wiederholen. Eine Entscheidung über die generelle Bereitschaft der Aufnahme der Chilenen muß jetzt getroffen werden. Triefende Reden nach einer möglichen Hinrichtung erwecken Tote nicht zum Leben. Jürgen Gottschlich

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