Saar–Zeche Camphausen vor dem Absaufen?

■ Saarbergwerke sollen nach dem Willen des Mehrheitsaktionärs Zeche schließen / Verluste nicht im Kohlebereich / Abhängigkeit von Atomenergie wird zementiert

Von Felix Kurz

Saarbrücken (taz) - Nach gewaltigen Arbeitsplatzverlusten bei Saarstahl Völklingen (früher Arbed Saarstahl) droht im Saarland nun ein weiterer Kahlschlag auf dem saarländischen Arbeitsmarkt. Der Energiekonzern Saarbergwerke AG soll nach dem Willen von Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Martin Bangemann (FDP) die Grube Camphausen schließen. Rund 2.200 Bergarbeiter wären davon direkt betroffen, und auch bei den Zulieferern rechnet man dadurch mit rund 1.000 zusätzlichen Arbeitslosen. Ersatzarbeitsplätze sind weit und breit keine in Sicht. Bei den Saarbergwerken hält der Bund mit 74 Prozent den Großteil der Aktien, die Sperrminorität von 26 Prozent ist im Besitz der saarländischen Landesregierung. Saarberg betreibt sechs Zechen, verschiedene Kraftwerke, die Saar–Kokerei Fürstenhausen und verkauft nahezu jeden Energieträger von Steinkohle, Koks, Heizöl, Gas und Öl bis zu Uran. Auch an der Trinkwasserversorgung im Saarland ist das Unternehmen beteiligt. Doch das Pikante an der von Stoltenberg und Bangemann favorisierten Zechenstillegung ist die Tatsache, daß der Energiekonzern nicht im Kohlebereich die roten Zahlen eingefahren hat. Wie die taz erfahren konnte, liegen die millionenschweren Einbrüche „alle außerhalb des saarländischen Kohlesektors“. Im Ölhandelsgeschäft, im Werkzeugsektor, im Urangeschäfts und bei den Auslandsaktivitäten wurden die größten Verlustbrocken verbucht, im Geschäftsjahr 1986 insgesamt 180 Millionen Mark. Neben anderen Beteiligungen und Tochterunternehmen sackte im Jahre Eins nach Tschernobyl auch die Interuran Saarberg–Interplan entscheidend in die Verlustzone. Die Saarberg–Interplan Uran GmbH ist weltweit auf dem Gebiet der Uranversorgung tätig. An diese Aktivitäten erinnert man sich bei der saarländischen Landesregierung nur ungern. Bislang jedenfalls versäumte die Lafontaine–Regierung, für die der engagierte Atomenergiegegner Wirtschaftsminister Hajo Hoffmann und Saar–Finanzminister Hans Kaspar im Aufsichtsrat des Energieunternehnems sitzen, sich für einen Ausstieg aus der Uranbranche stark zu machen. Jetzt allerdings, so der Sprecher des saarländischen Wirt schaftsministers, Urs Kalbfuss, werde man „allein schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen dieses Engagement besonders kritisch überprüfen“. Daß man Verlustbringer nicht ohne weiteres abstoßen kann, weiß man auch im Saarland. So müßte die saarländische Landesregierung selbst der Uranindustrie erst einmal finanziell unter die Arme greifen, wenn sie die Verluste nicht abschreiben will. Die im Saarland getätigten Geschäfte haben dem Konzern in den letzten fünf Jahren 220 Millionen DM Gewinn gebracht. Im gleichen Zeitraum erzielten die Saarberg–Manager mit ihren Aktivitäten in der Bundesrepublik außerhalb des Saarlandes einen Verlust von 320 Millionen und im Auslandsgeschäft noch einmal knapp 300 Millionen Mark Miese. Warum nun die Saarbergwerke durch ihre Tochterunternehmen so gebeutelt wurden, liegt auch an der ungewöhnlichen Unternehmensstruktur. Für alle Verluste der Töchter haftet die Mutter uneingeschränkt. Eine Regelung, die man allein aus betriebswirtschaftlichen Überlegungen heraus selten findet. Die Folgen des gewaltigen Mismanagements sollen nun die saarländischen Kumpel ausbaden. Von den sechs Saar–Gruben Warndt, Camphausen, Reden, Luisenthal, Göttelborn und Ensdorf, die trotz der augenblicklichen Situation am Kohlemarkt nicht die defizitträchtigen Betriebe von Saarberg sind, will der Bund im Aufsichtsrat am kommenden Montag den Beschluß erzwingen, Camphausen 1991 zu schließen. Dabei fördert man in Camphausen den qualitativ besten Koks, rund eine Million Tonnen jährlich. Das sind zehn Prozent der gesamten Saarberg–Fördermenge. Rund 13 Millionen Tonnen an Kohle sind in Camphausen bereits erschlossen. Doch nur noch drei Jahre lang sollen in Camphausen die Flöze abgebaut werden. Auf die restliche Ausbeute legt man in Bonn keinen Wert. Die Absatz–Prognosen des Saarberg–Bosses Lennartz gehen von 9,9 Millionen Tonnen jährlich aus, angeblich nicht genug zur Auslastung aller Standorte.. Angesichts dieser Version präsentierte Wirtschaftsminister Hajo Hoffmann dem Manager 25 Projekte, die dem Absatz steigern könnten. Zudem will sich der Saar–Wirtschaftsminister um gesicherte Abnahmeverträge mit der DDR bemühen. Immerhin verkaufte Saarberg 1986 im deutsch–deutschen Geschäft 587.000 Tonnen Kohle an die DDR. In der Zukunftsprognose rangiert der deutsch–deutsche Handel dagegen nur mit 200.000 bis 300.000 Tonnen. Zur heimischen Kohlesicherung könnte der Bund selbst auch ohne große Anstrengungen sofort eingreifen, so Hajo Hoffmann. Mit einem zweiten Fernwärmeprogramm, daß das Vorgängerprogramm fortschreiben würde, wäre nicht nur der Saar sofort geholfen. Die Anhebung bei der Schwerölsteuer hätte den gleichen Effekt. Doch all das will man in Bonn nicht. 1986 wurde zum ersten Mal in der Bundesrepublik mehr Strom aus Atomenergie als aus Kohle gewonnen. Ein Datum, das man sich merken sollte. Dieser Trend wird durch Bangemann und Co. noch unterstützt. Erzwingt man nämlich an der Saar auch nur eine Grubenschließung, dann hat man es an der Ruhr leichter. Denn auch dort möchten die Atomfreunde Zechen dichtmachen, um so bei der möglichen Verlängerung des Jahrhundertvertrages 1995 niedrigere Quoten zu erzielen.