: D O K U M E N T A T I O N ÖTV–Ausstieg im Rückwärtsgang
■ Grundsätze für eine künftige Energieversorgung ohne Kernenergie - Auszüge aus dem Empfehlungsentwurf der ÖTV
1) Bei Abwägung der sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Folgen sowie der Auswirkungen auf den internationalen Rohstoffmarkt ist der Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie grundsätzlich realisierbar. 2) Der Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung darf jedoch nicht losgelöst vom gesamten Energiesystem betrachtet werden. Denn die Nutzung der Kernenergie zur Stromerzeugung ist nur ein Baustein im Rahmen der gesamten Energieversorgung. Die Endlichkeit der fossilen Energien (...) zwingt insbesondere die Industrieländer der Erde (...) zu weiteren Energieeinsparungen, zur Ölsubstitution und zur Erschließung zusätzlicher Energiequellen. Die Bundesrepublik Deutschland ist in beträchtlichem Maße von Primärenergieimporten abhängig. Daher muß eine Energieversorgungsstruktur geschaffen werden, die auf der Grundlage - rationeller und sparsamer Verwendung von Energie - regenerativer Energiequellen - heimischer Energieträger unter Wahrung des Schutzes der Umwelt die bestehenden Risiken und Abhängigkeiten der Energieversorgung abbaut. Diese Aufgabe erfordert eine langfristige energiepolitische Rahmenplanung. 3) (...) Für einen Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie sind breite Mehrheiten im Deutschen Bundestag und im Bundesrat erforderlich. Die Gewerkschaft ÖTV wird sich mit aller Kraft dafür einsetzen, damit der erforderliche breite gesellschaftliche Konsens in der Bevölkerung erreicht wird. Nur bei breiter Zustimmung können die notwendigen politischen und gesetzgeberischen Maßnahmen - z.B. Änderung des Atomgesetzes - eingeleitet werden, um den Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie zu ermöglichen. Dies ist bei einer Umorientierung in der Energiepolitik zu berücksichtigen. 4) Die Gewerkschaft ÖTV fordert die Parteivorsitzenden, die Ministerpräsidenten der Länder und die Spitzenvertreter der Gewerkschaften und der Wirtschaft auf, gemeinsam die Grundlagen und Bedingungen einer langfristigen, bis weit ins nächste Jahrhundert reichenden sicheren und sozialverträglichen Energieversorgung festzulegen. Auf dieser Basis müssen die energiepolitischen und gesetzgeberischen Entscheidungen für die zukünftige Energiepolitik eingeleitet werden. 5) Die Umstrukturierung unseres Energiesystems im Hinblick auf eine sichere, umweltverträgliche, preiswürdige und sozialverträgliche Energieversorgung schafft auch neue Innovationsschübe für die Wirtschaft. Neue Techniken (...) stellen für die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland ein erhebliches wirtschafts– und beschäftigungspolitisches Potential dar. Bei Anwendung dieser Techniken können langfristige, in die Zukunft reichende Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden. Die Bundesregierung wird aufgefordert, diese neuen Möglichkeiten der Technologieentwicklung aufzugreifen und Rahmenbedingungen festzulegen, damit der Aufbau eines neuen Zweiges im Rahmen des derzeitigen Energiesystems „das Energiesparen ohne Wohlstandsverzicht“ erfolgen kann. (...) Aufgrund der Bedeutung der Kernenergie für die Stromerzeugung kann ein weltweiter Verzicht auf ihre Nutzung realistischerweise in überschaubarer Zeit nicht durchgesetzt werden. Andererseits hat die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl gezeigt, daß radioaktive Emissionen keine Grenzen kennen. Der Verzicht auf die Nutzung der Kernenergie muß daher im internationalen Kontext angestrebt werden. Es reicht nicht aus, allein die nationale Reaktorsicherheit zu erhöhen. Kernkraftwerksunfälle müssen durch einen hohen internationalen gleichwertigen Sicherheitsstandard verhindert werden. (...) Zum schrittweisen Verzicht auf Kernenergie fordert die ÖTV: Zur Aufrechterhaltung der Energieversorgung und zur Erfüllung der nach dem Energiewirtschaftsgesetz übertragenen Versorgungspflicht sind die im Bau befindlichen Kraftwerke unter Berücksichtigung der Gesamtkapazität und nach entsprechender Bedarfsprüfung in Betrieb zu nehmen. Dies erfolgt in Übereinstimmung mit dem Beschluß des DGB–Bundeskongresses 1986 zum Antrag 113: „Kein weiterer Zubau von Leichtwasserreaktoren.“ (...)
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