Reagans Veto gegen Sanktionen aussichtslos

■ Senat in Washington verabschiedet „Handelsgesetz“ gegen Japan und die ostasiatische Region mit Zweidrittelmehrheit / Präsident kann überstimmt werden / Japan: Freier Welthandel in Gefahr / Taiwan versuchte in letzter Sekunde vergeblich Good–Will–Aktion

Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - US–Präsident Reagan - selbsternannter Rächer des freien Welthandels - bekommt zu spüren, daß ihm bei den vergangenen Kongreßwahlen die Mehrheiten geschwunden sind. Die oppositionellen Demokraten, allemal für protektionistische Offensiven gut, haben am Dienstag abend im Washingtoner Senat ein Gesetz durchgesetzt, das die US–Regierung zu weitreichenden Maßnahmen gegen den Handel insbesondere mit Japan, aber auch anderen asiatischen Ländern verpflichtet. Das „Handelsgesetz“ ging mit 71 zu 29 durch die Kammer und macht damit das von Reagan bereits angekündigte Veto wirkungslos: Mit einer Zweidrittelmehrheit kann der Einspruch abgeschmettert werden. Sämtliche Gegenstimmen kamen von Republikanern, 19 von Reagans Parteigenossen stimmten dafür. In Japan wurden die Signale empfangen. Für Außenhandelsminister Tamura ist nun der freie Welthandel in Gefahr, der Geist des venezianischen Gipfels sei dahin. Der entscheidende Punkt des neuen Gesetzes ist die Verpflichtung für den Präsidenten, gegen „Staaten, die ein gleichbleibendes Muster von Importschranken aufrechterhalten“, zunächst zu klagen. Gibt es nach 19 Monaten keine Verbesserungen für US–Exporte in dieses Land, müssen Sanktionen ergriffen werden. Der Präsident kann dies verweigern, wenn dem nationale Interessen entgegenstehen. Außerdem können USA–Betriebe künftig leichter gegen ausländische Konkurrenz klagen, wenn diese aufgrund staatlicher Subventionen oder Exportbeihilfen die eigenen Preise stark unterbieten. Das Repräsentantenhaus hatte kürzlich ein ähnliches Gesetz mit einer Klausel verabschiedet, wonach solche Länder, die ihre hohen Handelsüberschüsse gegenüber den USA „unfairen“ Praktiken verdanken, automatisch gezwungen werden, die Überschüsse um jährlich 10 Prozent zu verringern. Diesen Zusatz hatte Richard Gephardt eingebracht, der sich Chancen auf die demokratische Präsidentschaftskandidatur ausgerechnet. Ein Vermittlungsausschuß muß nun das 1.000–Seiten– Werk des Repräsentantenhauses und den eher knapp gefaßten Senats–Entwurf zusammenbringen. In Washington geht man davon aus, daß die Gephardt–Klausel nicht in ein endgültig zu verabschiedendes Gesetz Eingang finden wird. Über die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses und über das zu erwartende Veto Reagans muß jeweils noch abgestimmt werden, so daß sich das Prozedere noch einige Zeit hinziehen dürfte. In den letzten Wochen hatte sich der Senat mehrfach mit dem Handelsgesetz befaßt. Nicht zu Unrecht fühlen sich die Japaner als Zielscheibe des protektonistischen Aufmarsches der Demokraten. Zwar stecken die USA auch gegenüber der EG im Handelsminus. Ein Drittel ihres Gesamtdefizits von 170 Milliarden Dollar fällt jedoch auf Japan. Daneben wird das Ex– und Importungleichgewicht auch gegenüber anderen ostasiatischen Ländern wie Taiwan, Südkorea und Hongkong immer größer. Im Gegensatz zu den europäischen Währungen und dem japanischen Yen, die im vergangenen Jahr gewaltige Kurssteigerungen erlebten, blieben Won, Taiwan– und Hongkong– Dollar in etwa gleich, sie sind „an den Dollar gekoppelt“. Von daher haben die Exportbranchen dieser Länder nicht darunter zu leiden, daß ihre Waren auf dem US–Markt wegen des an Wert verlierenden Dollar unverkäuflich werden. Taiwan, das für 13,6 Milliarden Dollar mehr in die USA liefert als von dort bezieht, hatte offenbar noch in letzter Sekunde mit einer Good–Will–Aktion die Senatoren beschwichtigen wollen. Am Montag verkündete eine eigens nach Seattle gereiste Taiwanesische Delegation, man werde bei Boeing für 1,7 Milliarden Dollar Fluggerät kaufen. Dies sei der größte Einkauf, den man je in den USA getätigt habe.