: D O K U M E N T A T I O N „Für eine globale doppelte Nullösung“
■ Michail Gorbatschows neue Abrüstungsvorschläge, die er in einem Interview mit der indonesischen Zeitung Merdeka gemacht hat
Frage: Es nähert sich der Jahrestag Ihrer Rede in Wladiwostok, in der Sie umfassende Vorschläge zur Festigung des Friedens und der Sicherheit in der asiatisch–pazifischen Region unterbreitet haben. Seitdem hat sich in dieser großen Region vieles ereignet. Sehen Sie darin positive Tendenzen? Antwort: Bei aller Kompliziertheit und Vielfalt des asiatisch–pazifischen Bildes, bei allen Schattierungen in der Verteilung der hellen und dunklen Töne zeichnet sich eine anti–nukleare Komposition des Gesamtbildes ab. Hier einige seiner Merkmale: Das Südpazifische Forum hat den Vertrag von Rarotonga ausgearbeitet. Indonesien setzt sich aktiv für die Konzeption einer kernwaffenfreien Zone in Südostasien ein. Australien und Neuseeland wenden sich entschieden gegen die französischen Kernwaffenversuche im Pazifik und werden dabei von der breiten Weltöffentlichkeit unterstützt. Es wachsen die Forderungen, die koreanische Halbinsel von Kernwaffen zu befreien. (...) Im Zusammenhang mit den Verhandlungen zwischen der UdSSR und den USA haben die asiatischen Länder ihr Interesse daran geäußert, daß die Mittelstreckenra keten nicht nur in Europa, sondern auch in Asien völlig beseitigt werden. Sie betrachten diese Frage im Kontext der eigenen nationalen Sicherheit. Die sowjetische Führung verhielt sich zu diesen Wünschen mit allem Ernst und voller Verantwortung. Und ich kann jetzt mitteilen: die Sowjetunion kommt den asiatischen Ländern entgegen, berücksichtigt deren Besorgnis und ist bereit zur Vernichtung aller ihrer Mittelstreckenraketen auch im asiatischen Landesteil, das heißt, sie ist bereit, die Frage des Verbleibs jener 100 Sprengköpfe auf Mittelstreckenraketen, um die es bei den Genfer Verhandlungen mit den Amerikanern geht, fallenzulassen. Unter der Bedingung natürlich, daß die USA dasselbe tun. Beseitigt werden auch die operativ– taktischen Raketen. Mit anderen Worten, wir werden von der Konzeption einer „globalen doppelten Nullösung“ ausgehen. Wir verbinden mit dieser Initiative im vorliegenden Fall nicht die Frage nach der nuklearen Präsenz der USA in Korea, auf den Philippinen und auf der Insel Diego Garcia. Wir möchten allerdings hoffen, das diese Präsenz zumindest nicht ausgebaut wird... Frage: Welche Maßnahmen zur Minderung der Spannungen in Asien und im Pa zifik betrachten Sie als die aktuellsten und als realisierbar? Antwort: Vor allem muß wieder und wieder über die Kernwaffen gesprochen werden. Ich nenne auch einige andere mögliche Maßnahmen. Erstens. Die Sowjetunion ist bereit, die Verpflichtung zu übernehmen, die Zahl ihrer kernwaffentragenden Flugzeuge im asiatischen Teil des Landes nicht zu erhöehn, wenn die USA keine zusätzlichen nuklearen Mittel, die das Territorium der UdSSR erreichen, stationieren. Zweitens. Ich erinnere wiederum an unsere Bereitschaft, die Aktivität der Seekriegsflotten der UdSSR und der USA im Stillen Ozean herabzusetzen. (...) Man könnte die Begrenzug der Einsatzgebiete von kernwaffentragenden Schiffen vereinbaren, damit sie sich den Küsten der anderen Seite nicht bis auf Reichweite ihrer mitgeführten nuklearen Waffen nähern. Man könnte die Begrenzug der Rivalität bei der U–Boot–Abwehr und das Verbot von U–Boot–Abwehrtätigkeit in bestimmten Zonen, einschließlich der Luftabwehr, vereinbaren. Zur Festigung des Vertrauens würde die Begrenzug des Ausmaßes der Seekriegsübungen und -manöver im Stillen– und Indischen Ozean sowie in den angrenzenden Meeren beitragen: nicht mehr als ein bis zwei große Seekriegsübungen und Manöver im Jahr (einschließlich Marinefliegerkräfte), rechtzeitige Information über ihre Durchführung, gegenseitiger Verzicht auf Seekriegsübungen oder Manöver in internationalen Meerengen und in den angrenzenden Gebieten sowie Verzicht auf den Einsatz von Gefechtswaffen während der Übungen in den Gebieten traditoneller Seewege. (...) Drittens. Es ist an der Zeit, internationale Garantien für die Sicherheit der Seeschiffahrt im Indischen Ozean und den zu ihm gehörenden Meeren, Meerengen und Meerbusen zu schaffen. Es steht auch die Frage nach der Sicherheit der Luftwege. Sie könnte ebenfalls gelöst werden, wenn politischer Wille vorhanden wäre. Aktuell ist das Problem kollektiver Maßnahmen gegen den Terrorismus auf den See– und Luftverbindungen im Indischen Ozean. Viertens. Eine besondere Frage sind die Nukleartests. Die Menschheit hat nicht vergessen, daß die ersten Tests amerikanischer Kernwaffen nach dem Krieg im Stillen Ozean durchgeführt wurden. Sie kosteten viele Bewohnern dieser Gebiete die Gesundheit und sogar das Leben.
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