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Zwangstest für Adoptiveltern

■ Noch mehr skandalöse Anti–AIDS–Maßnahmen in Wesel / Grüne finden alles nicht so schlimm

Von Corinna Kawaters

Bochum (taz) - 41 Elternpaare, die sich um die Pflegschaft oder Adoption eines Kindes bemühten, mußten sich im Kreis Wesel einem AIDS–Test unterziehen. Ehepaare, die den Test verweigerten, wurden in Wesel für „nicht pflegschaftstauglich“ gehalten. Genauso wurden die Kinder, die zur Adoption freigegeben wurden, auf die Immunschwäche untersucht. Doch „seit der vergangenen Woche ist die Anordnung aufgehoben worden“, sagt der Sprecher des Kreises. Vorher war bereits bekanntgeworden, daß im Kreis Wesel 20 Schulkinder aus sogenannten „Problemfamilien“ vor ihrer Zulassung zu einer Ferienfahrt nach Norderney einen AIDS–Test machen mußten (die taz berichtete). Inzwischen stellte sich heraus, daß weder die mitreisenden Betreuer noch die etwa 60 anderen Kinder diesen Test machen mußten. Die Kreisverwaltung bestritt gestern die Richtigkeit lokaler Zeitungsberichte, nach denen die Zwangstests von den zuständigen Kreisausschüssen beschlosssen worden seien. Stattdessen wird die AIDS–Hysterie auf die Überreaktion zweier Amtsleiter vom Jugendamt und Gesundheitsamt zurückgeführt. Die Verwaltungsspitze sei von deren Alleingängen nicht informiert worden, betonte man mehrfach. Bundesweit stießen die Weseler Maßnahmen auf Kritik. Der Präsident der Bundesärztekammer, Karsten Vilmar, sprach von einer „Überreaktion“. Der Sprecher der Grünen im Weseler Kreistag, Dr. Raimund Kurscheid, sieht dagegen nur „eine Kette von Merkwürdigkeiten“ im Vorgehen des „ansonsten sehr kooperativen“ Amtsarztes Dr.Jünger. Bayerische Verhältnisse in Wesel zu vermuten, das hält der Sprecher der Grünen für zu weitgehend. Schließlich habe der Amtsarzt ja gemeint, „was Positives zu machen.“

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