Kampf um Springers Erbe

■ Filmgroßhändler Leo Kirch greift zu / Von Benedict Maria Mülder

Zwei Jahre nach seinem Tod gerät das Imperium des Axel Cäsar Springer ins Trudeln. Um die endgültige Verteilung des Erbes streiten drei Parteien: die Familie Springer, zwei Burda–Brüder und der Filmgroßhändler und CSU–Spezi Leo Kirch. Ihm hat ein großer Zeitschriftenverlag gerade noch gefehlt, um seine vielfältigen Filme via Privatfernsehen unter die Leute zu bringen. Zwei Tage vor der spannungsgeladenen Hauptversammlung in Berlin hat das Kartellamt seine Chancen allerdings nicht gerade verbesser. Die Gebrüder Frieder und Franz Burda dürfen auf Kosten der Familie Springer ihren bisherigen Anteil von 24,9 auf 25,9 Prozent erhöhen. Weil nur noch Bruder Hubertus im Printmedienbereich tätig ist, sehen die Wettbewerbshüter keine Marktverzerrungen, wenn die beiden anderen bei Springer die Sperrminorität besitzen. Dallas made in Germany, die Serie läuft weiter.

„Am Donnerstag wird man sehen, ob nicht alles übertrieben ist“, suchte der auskunftgebende leitende Redakteur bei der Springer– Verlags AG, Luther, am Dienstag die Wogen zu glätten. Die Generalprobe für die Hauptversammlung im Berliner ICC verlief dem Vernehmen nach reibungslos, Aufsichtsratsmitglieder gaben sich indes gegenüber der taz „wortkarg“. „Daß da Interessen zugange sind“, die sich seit Wochen in für den Springer Verlag ungewöhnlich vielen Schlagzeilen niederschlagen, gab auch Redakteur Luther zu. Alle „Enteignet Springer“– Kampagnen sind dagegen ein Zuckerschlecken, der Zahn der Zersetzung nagt von innen, schlimmer und früher als Gründervater Axel Springer es sich hat träumen lassen. Er glaubte sein allmächtiges Presseunternehmen bis weit ins Jahr 2000 gesichert, und nun liegt der geniale Blender von Millionen verblendet im Grab. Sein Testament zum Schutze der Verlegerbank (aus Burda und Ehefrau Friede Springer) scheint nur noch ein Stück Papier und die Garantie der Deutschen Bank Makulatur. Die Banker gaben 1985 rund 4.000 Kleinaktionären ihr Wort: „Die Aktien werden in breiterer Streuung in der Weise plaziert, daß sich hieraus weder ein unternehmerischer noch ein medienpolitischer Einfluß ableiten läßt“. Doch was auf dem hart umkämpften Medienmarkt geschehen mußte, geschah. Die bloße Formel konnte nicht verhindern, daß sich Leo Kirch, der Multi–Millionär aus München, Filmgroßhändler und Lieferant von ARD und ZDF, mit Hilfe seiner Hausbank, der Deutschen Genossenschaftsbank in Frankfurt, ans Geschäft machte. „Mister Zehn Prozent“ wurde Kirch nur kurz verniedlichend genannt, denn heute kann er, ein andauerndes Börsen– und Branchentheater inszenierend, neben sei nen eigenen Anteilen von zehn mit einem weiteren Pakt von 16,1 Prozent der Springerpapiere „disponieren“. 28 Treuhänder (Banken, Bekannte, Freunde und Verwandte) stehen dafür gerade. Dafür sorgt der Rechtsanwalt, Notar und Steuerspezialist Jochen Theye, zu dessen Bremer Kanzlei kein Geringerer gehört, als Hans D. Genscher. „Leo“ teilte, das disponible Paket im Rücken, dem Aufsichtratsvorsitzenden der Springer AG, Bernhard Servatius, in einem Brief vom 12. Juni schlicht und schnörkellos mit, daß er zwei Aufsichtsratsmandate und die Vertretung in allen Ausschüssen des Konzerns beantrage. Frech kommt weiter, dachte Leo Kirch und erteilte sogleich Zensuren: „Der deutsche Medienmarkt ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, geradezu besorgniserregend binnenorientiert. (..) In der deutschen Medienlandschaft geben nicht die Unternehmer, sondern die Medienpolitiker und die Karlsruher Richter den Ton an.“ Er verzichtete selbstverständlich auf bescheidenere Halbtöne und gab forsch die Richtung an: „Ein riesiger, ungenutzter Markt wartet darauf, vom größten Zeitungshaus (Europas, d.Red.) und vom größten Software–Unternehmen unseres Landes im Bereich Film und Fernsehen gemeinsam bestellt zu werden.“ Wie seine großen Vorbilder, Berlusconi in Italien, Murdoch in den USA und Hersant in Frankreich, will Kirch, der Gebieter über 15.000 Filme, 600 Mitarbeiter und ein verworrenes Netz aus rund 100 Firmen, mit der Symbiose zwischen der „Monokultur Presse und der Monokultur Fernsehen“ fette Beute machen. Die anderen Medienmogule hätten es geschafft, zollte der sonst die Öffentlichkeit meidende Kirch neulich im Manager–Magazin Tribut, das Staatsfernsehen an die Wand zu spielen und gleichzeitig mit Zeitungen und Zeitschriften unvorstellbaren Erfolg zu haben. Zur Verwirklichung von Kirchs Vision, einen weiteren multimedialen Konzern neben Bertelsmann zu schaffen, fehlt allerdings nur noch eines, die Einigkeit der Rest–Eigentümer der Springer AG. Sein „Ich sei, gewährt mir die Bitte, in Eurem Bunde der dritte“ hat nämlich vor allem die Burda–Brüder Franz und Frieder gegen ihn aufgebracht. Weil die Satzung der AG keine weitere Beteiligung über zehn Prozent des Kapitals erlaubt, hängt von ihrem Plazet die Satzungsänderung ab, die Kirchs Schachtel so dringend braucht, um nicht in der Luft zu hängen, um als „legal“ zu gelten. Die Deutschen Banker tun ganz vornehm, wollen „neutral“ bleiben und zustimmen, wenn Burda und Friede Springer mit Kirch einverstanden sind. Inzwischen übersprangen die Burdas nach der Teilung des Offenburger Stammhauses die Hürde zur Sperrminorität und sagten im Branchenmagazin neue medien dem Emporkömmling Kirch gleich den Kampf an. Sie halten nicht nur nichts von seinen TV– Plänen, ihnen gehen des frommen Kirchs Intrigen über die Hutschnur. Beim Bundeskanzler seien sie dank Kirch und Kirch– Freund Gerd Bacher, der Kohl in Medienfragen (!) berät, bereits als „linke Vaterlandsverräter“ verschrien, bei der Springer–Witwe Friede als unzuverlässig. „Man hat uns angedichtet, wir hätten keine Lust“, empörte sich Friede Burda, „wir stiegen aus, kassierten das große Geld, lebten in Saus und Braus und spielten Frührentner. Bruder Hubert machte den schweren Teil (Bunte–Verlag, d.Red.) und wir in Baden–Baden Highlife“. Als Hallodris möchten sie nicht gelten, schon eher als Meister im Roulette. Frieder Burda forderte Kirch in der Pose des ehrlichen Kaufmanns auf, erst einmal konsolidierte Bilanzen vorzulegen und mit der Verschleierung und Vernebelung seiner Firmenpolitik aufzuhören. Denn, so weiß Burda, „wer die Bild– Zeitung hat, hat die Macht im Land“. Und die will man in serösen Händen wissen. Kanzler Kohl möchte sie behalten, der Springer–Vorstandsvorsitzenden Tamm, den Kirch auf seiner Seite weiß, und Anwalt Theye möchte sie mehren. Theye, Kirchs Hausanwalt und rechte Hand, gilt als die graue Eminenz hinter den Kulissen. Der Hardliner für law and order (“Ein Mann ohne soziales Gewissen. Ein radikaler Kleinbürger im Oberhaus der Macht“, so neue–medien.) führt als Aufsichtsratsvorsitzender beim bereits von Springer dominierten Privatfernsehen SAT 1 das große Wort und die Geschäfte in die richtige Richtung. An SAT 1 ist Kirch schließlich gleich zweimal beteiligt. Über die PKS (Projektgesellschaft für Kabel– und Satellitenfunk) - offiziell ist die Deutsche Genossenschaftsbank Eigner - sowie über seine Springer–Anteile. Da SAT 1 die vielen packenden Filme natürlich von Leo Kirch kauft, macht Kirch gute Geschäfte mit sich selbst und nährt so das gehörige Mißtrauen, er wolle durch seine Ambitionen Springer nur noch mehr melken. Ganz zufällig sitzt dort auch der frühere ORF–Intendant Bacher im Aufsichtsrat, und damit alles schön übersichtlich bleibt, möchte Kirch nun beide, Bacher und Theye, ebenfalls zu Aufsichtsräten bei Springer machen. Auch in den oberen Etagen scheut man Durchlässigkeit, greift auf bewährtes Personal der Familie zurück, auch wenn ein Günter Prinz der Kohl–Tamm– Theye–Rochade zum Opfer fallen muß. Schließlich kam Boenisch von Kohl und der Bunten auch wieder zu Bild - als Berater. Da kann dann der Geschäftsführer der Kirch–eigenen Taurus–Filmverleih–Firma, Ronald Frohne, ge trost in die Münchner Kanzlei des Innenministers Zimmermann zurückgehen. Damit der Nachwuchs nicht knapp wird, arbeitet ein Sohn des niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht in Kirchs Produktionsabteilung. So gehen product placement und personal placement Hand in Hand. Wie schrieb doch Leo Kirch: „Das Haus Springer ist für mich ein Garant für publizistische Vielfalt und gleichgewichtige Positionen im Meinungsspektrum der deutschen Presse“. Er wird daran gedacht haben, daß der Umsatz des Branchenriesen Bertelsmann den von Gesamtumsatz von Springer und Kirch um mehr als das Deifache übersteigt.