Bombenlegen auf Staatskosten

■ Eine Augsburger Firma soll jahrelang Bomben, Granaten und Gewehrmunition „zurechtgelegt“ und anschließend „gefunden“ haben, um sich so Folgeaufträge für Kampfstoffsuche zu sichern

München (dpa/taz) - Der Skandal um die Augsburger Firma Röhll, die im Auftrag des bayerischen Innenministeriums Bombenreste und Kampfstoffe sucht und beseitigt, weitet sich aus: Die Firma hat, so ein Ex–Mitarbeiter, jahrelang selber Munitionsdepots angelegt. Daraus sollen sich die Mitarbeiter immer dann bedient haben, wenn sie bei der Bombensuche nicht fündig wurden, ein Fund aber vorgewiesen werden mußte, um den nächsten Auftrag zu bekommen. Ein erstes Sammellager dieser Art wurde am Samstag entdeckt. Ein Kamerateam des Bayerischen Fernsehens fand in der Nähe von Neuburg a.d. Donau 27 US–Splitterbomben und eine deutsche Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Bereits Anfang letzter Woche hatte der SPD–Landtagsabgeordnete Franz Götz der Firma vorgeworfen, zwischen 1976 und 1982 das hochgiftige Kampfgas Lost (“Senfgas“) im Fort Prinz Carl bei Ingolstadt völlig sorglos und ohne Rücksicht auf die Gefährdung von Arbeitern und Umwelt verbrannt zu haben (die taz berichtete). Am Freitag legte Götz die eidesstattliche Erklärung eines Ex–Firmenmitarbeiters vor, in der es auch um die „Bombenvorratspolitik“ geht. Wie der Arbeiter berichtet, haben er und seine Kollegen, wenn auf einem Gelände keine Munition war, dort passende Bomben, Granaten oder Gewehrmunition „zurechtgelegt“ und anschließend „gefunden“. Um immer genügend Munition zu haben, hätten sie aus überschüssigen Funden „zur Sicherheit“ eigene Depots angelegt. Die Firmenleitung habe davon gewußt, „auch wenn nie darüber gesprochen wurde“. Bomben, die nicht sofort entschärft werden konnten, seien „auf einem Lieferwagen ohne besondere Vorsichtsmaßnahmen, nur von einer Polizeieskorte begleitet“, in das Fort Prinz Carl gebracht worden. Unter der Woche haben, so der Arbeiter, Firmenautos mit Munition nachts unbewacht auf Parkplätzen gestanden. Bei der Vernichtung der Munition im Fort sei es hin und wieder zu Explosionen gekommen: „Die Trümmer flogen dann Hunderte von Metern durch die Gegend.“ Das bayerische Innenministerium hat von all dem bisher angeblich nichts gewußt. Es konnte auch nicht mitteilen, wie oft und auf welche Art die Firma Röhll kontrolliert wurde. Dazu der Ex–Mitarbeiter: Der Sicherheitsbeauftragte des Ministeriums, „ein Herr O.“, sei monatlich vorbeigekommen, habe aber nur „Grüß Gott“ gesagt. Die Erklärung des Arbeiters wurde der Münchner Staatsanwaltschaft übergeben, die bereits in Sachen Kampfgas Lost ermittelt. raw