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Heimlicher AIDS–Test ist Körperverletzung

■ Mainer Oberstaatsanwalt stellt Rechtsansicht seiner Behörde vor / Blutentnahme gegen Patienten–Willen illegal / Absage an heimliche und Zwangs–AIDS–Tests

Aus Mainz Max Holz

Ärzte, die ohne Aufklärung und entsprechende Einwilligung des Patienten eine Blutentnahme zum Zweck eines AIDS–Tests durchführen, erfüllen für den Mainzer Leitenden Oberstaatsanwalt Werner Hempler den Tatbestand der vorsätzlichen Körperverletzung. Die Staatsanwaltschaft erteilte damit heimlichen und auch Zwangs–AIDS–Tests eine eindeutige Absage. Gegen zwei Ärzte der Mainzer Uni–Kliniken stellte die Staatsanwaltschaft jetzt allerdings ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts auf vorsätzliche Körperverletzung ein, weil diese sich zum Zeitpunkt (29.1.87) der Blutentnahme in einem Verbotsirrtum befunden hätten. Sie hatten bei einem als malariakrank eingelieferten Patienten ohne seine Einwilligung, ohne entsprechende Aufklärung und ohne dessen Wissen Blut zum Zweck eines AIDS–Tests entnommen. Was im Januar noch als „Verbotsirrtum“ galt, können die „Herren im weißen Kittel“ spätestens seit Mai/Juni dieses Jahres nicht mehr als Entschuldigung anführen. Seit diesem Zeitpunkt nämlich gäbe es, so die Mainzer Ermittlungsbehörde, eine „relevante und beachtliche Tendenz“ im Hinblick auf eine besondere Aufklärungspflicht und spezifizierter Einwilligungsbedürftigkeit in derartige körperliche Eingriffe. „Ab diesem Zeitpunkt führen deshalb Blutentnahmen zur Strafbarkeit wegen Körperverletzung, wenn bei derartigen Eingriffen auch AIDS–Tests beabsichtigt sind und hierüber der Patient vor der Blutentnahme nicht besonders aufgeklärt und von ihm keine entsprechende Einwilligung eingeholt wird“, so Hempler. Grundsätzlich habe ein Arzt den Patienten vor jedem Eingriff aufzuklären. Dies geschehe, so Hempler, bei einer routinemäßigen Blutentnahme „mehr oder weniger formlos“. In der Regel liege dabei die stillschweigende Einwilligung des Patienten in diejenigen Untersuchungen vor, die der Arzt indiziere. „Diese Grundsätze gelten indessen nicht für den AIDS–Test“, meinte er. Fortsetzung auf Seite 2 Infolge der „außerordentlichen Sensibilisierung“ der Bevölkerung erwarte der Patient heute, daß er über einen vorgesehenen AIDS–Test aufgeklärt werde und daß er dazu seine Zustimmung erteilen könne. Aus dieser Erwartung folge, daß der Arzt „entsprechend“ aufzuklären habe. Anderenfalls werde die Zustimmung zur Blutentnahme „unwirksam, der Eingriff rechtswidrig“. Hempler begründete das auch damit, daß „allein schon die Anordnung einer Blutentnahme zum Zwecke eines AIDS–Tests für den Betroffenen von einschneidender Bedeutung“ sei. Bereits dadurch werde er dem „Odium ausgesetzt, zu den Risikogruppen wie Drogenabhängigen, Homosexuellen und Prostituierten gezählt zu werden“. Bei Pflege– und Hilfspersonal würden zwangsläufig sozial negative Assoziationen ausgelöst werden und bei weiterem Be kanntwerden liefe der Patient sogar Gefahr, gesellschaftlich isoliert zu werden. Die Mainzer Staatsanwaltschaft sieht auch einen „Zentralbereich des Lebens, die Intimsphäre“ des Patienten durch die Anordnung eines AIDS–Tests berührt. So könne er in „lebensbedrohliche Ängste und Sorgen“ versetzt werden, und er müsse auch das Risiko eines möglicherweise positiven Ergebnisses tragen. Auch deshalb sei ein aufklärendes Gespäch zwischen Arzt und Patient „erforderlich“. Hempler zur Situation des Patienten: „Er allein muß abwägen und entscheiden können, ob er sich überhaupt einer Blutentnahme zum Zwecke eines AIDS–Testes stellen soll.“ Schließlich sei AIDS „keine Erkrankung wie jede andere“. Dem Patienten müsse auch das von den Ärzten zu respektierende Wahlrecht bleiben. Keineswegs seien die behandelnden Ärzte dadurch gehindert, die erforderlichen diagnostischen Maßnahmen innerhalb eines bestehenden Vertrauensverhältnisses zwi schen Arzt und Patient durchzuführen.

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