: Kein deutscher Paß für deutschen Rom
■ Verband Deutscher Sinti fordert Wiedereinbürgerung von Sinti und Roma, die von Nazis ausgebürgert wurden / Standesamt Frankfurt weigert sich beharrlich
Von Eva v. Hase–Mihalik
Frankfurt (taz) - Der Verband Deutscher Sinti in Hessen forderte gestern auf einer Pressekonferenz den hessischen Innenminister Milde und den Ministerpräsidenten Wallmann auf, sich für eine sofortige Wiedereinbürgerung von Sinti oder Roma einzusetzen, die aufgrund der nationalsozialistischen Rasse– und Völkermordpolitik ausgebürgert wurden. Immer noch verweigert das Frankfurter Standesamt dem 37jährigen Deutschen Georg Rose einen bundesdeutschen Paß. Der in Schwaighausen (Kreis Memmingen) geborene Rom Georg Rose war 1955 im Alter von fünf Jahren ausgebürgert worden, da seinem Vater 1938 aufgrund des „Reichbürger– und Staatsschutzgesetzes“ die Staatsbürgerschaft aberkannt worden war. Alle Anläufe des Sohnes Georg, seinen deutschen Paß wiederzubekommen, verliefen bisher erfolglos. Auch die Tatsache, daß seine Frau Deutsche und ihre Kinder deutsche Staatsbürger sind, half nichts. Der Leiter des Frankfurter Standesamtes, Voigt, lehnte den Antrag auf Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit von Georg Rose am 22.7. ab. „Die von Ihnen vorgelegten Unterlagen enthalten keinen Hinweis auf Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Ihren Vater, der geeignet wäre, die vom Senat der Stadt Hamburg im Jahre 1955 getroffenen Feststellungen in Zweifel zu ziehen.“ Rose habe die Möglichkeit, wie jeder Ausländer einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen. Nach Meinung des Zentralrats hieße das, die Rassegesetze von 1935 nachträglich anzuerkennen. Fortsetzung auf Seite 2 Georg Roses in Königsberg geborener Vater war 1938 im Rahmen der „Reichbürger–und Blutschutzgesetze“ von 1935, die „Zigeuner“ und Juden zu „außereuropäischen Fremdrassen“ erklärten, die deutsche Staatsbürgershaft aberkannt worden. Karl Rose überlebte die Konzentrationslager Oranienburg, Sachsenhausen und Dachau, wohin er zwischen 1942 und 1945 deportiert worden war, starb aber 1962 an den Folgen der KZ–Haft. Seinen 1938 entzogenen Paß hatte er 1945 zurückerhalten. Als Karl Rose 1954 bei dem zuständigen Rechtsamt in Hamburg eine Entschädigung für die erlittene KZ–Haft beantragte, sollte dies für ihn zu einer Falle werden. Gutachter des Antrages war Kriminalinspektor Georg Geyer vom Bayrischen Landeskriminalamt, der die hamburgischen Behörden dazu aufforderte, die Frage der Staatsangehörigkeit von Karl Rose wieder aufzurollen. Während des Nationalsozialismus, so der Zentralrat, war eben derselbe Georg Geyer im Reichsicherheitshauptamt in Sachen „Zigeunerdportationen“ tätig. Kriminalamtmann Hans Eller, ebenfalls vom LKA Bayern, der auf die gleiche Vergangenheit zurückblicken kann wie Geyer, schrieb in der Sache Rose in seinem Gutachten am 18. Oktober 1954 an das Hamburger Rechtsamt: „Die Einwanderung von Angehörigen des Stammes der Romzigeuner von Ungarn nach Deutschland in den Jahren 1860–1880 ist durch Einzelermittlungen und durch die Forschungstätigkeit der ehemaligen rassehygienischen Forschungsstelle des Reichsgesundheitsamtes erwiesen... Rom–Zigeuner wurden, soweit sie bereits die deutsche Staatsangehörigkeit erschlichen hatten, aufgrund der Forschungsergebnisse als staatenlos erklärt. Zur Kennzeichnung der Romzigeuner selbst wäre lediglich zu sagen, daß es sich bei ihnen um äußerst gerissene und größtenteils gutsituierte Händler handelt, die früher den Pferdehandel trieben und seit 20 Jahren vorwiegend Textilhandel ausüben.“ Die Stadt Hamburg übernahm die Argumentation Ellers. Am 5. Dezember 1955 erhielt Karl Rose die Bescheinigung, daß er, nach der Feststellung des Polizeipräsidiums Berlin vom 19.9. 1938 staatenlos sei. Das Recht auf Entschädigung entfiel damit so automatisch. Auch die Pässe der Ehefrau Karl Roses und die seiner Kinder wurden 1955 in Fremdenpässe umgetauscht. Seitdem ist auch Georg Rose staatenlos.
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