I N T E R V I E W Hoffen auf mehr Kritiker

■ Der Daimler Benz–Betriebsrat Gerd Ratgeb (Plakatgruppe) zur Konzern–Politik in Südafrika und den Solidaritätsaktionen der Untertürkheimer Kollegen

taz: Die Plakat–Gruppe, oppositionelle Betriebsräte und Kollegen, haben gestern mittag auf dem Betriebsgelände in Untertürkheim Solidarität mit den streikenden Kollegen in Südafrika bekundet. Gerd Ratgeb: Wir haben mit 30 bis 40 Leuten, darunter sieben Betriebsräte, vor der Zentrale in Untertürkheim gegen die Politik der Firmenleitung demonstriert. Die Leute waren sehr überrascht, weil sie zum ersten Mal erlebt haben, daß so etwas innerhalb des Werksgeländes stattfindet. Wie hat die Geschäftsleitung reagiert? Niemand hat uns behindert. Wir haben es bewußt in der Mittagspause gemacht. Es kann aber sein, daß es noch zu disziplinarischen Maßnahmen kommt. Was wolltet ihr erreichen? Wir unterstützen die Forderung der südafrikanischen Kollegen nach dem Mindestlohn von 5 Rand. Das letzte Angebot liegt bei 4 Rand. Wir protestierten dagegen, daß die Firma dies als letztes Angebot bezeichnet hat. Daß die weißen Arbeiter vier Mal mehr verdienen als die schwarzen ist überdies eine Apartheid–Lohnpolitik im Hause Daimler. Der dritte Punkt ist, daß die Firma zunächst mi stattet Armee und Polizei mit Rüstungsgütern aus. Wie reagierten die Kollegen? Engagierte Leute sind der Auffassung, daß Daimler sich aus Südafrika zurückziehen muß. Viele sagen auch, wenn nicht wir, dann machen es andere. Ich hoffe aber, daß die Kritiker jetzt mehr werden. Ist das Wort vom Solidaritätsstreik gefallen? Wir wollen auf der nächsten Betriebsratssitzung den Antrag einbringen, wieweit Betriebsrat und gewerkschaftliche Kollegen sich aktiver einsetzen können. Das klemmt im Moment noch. Wir hoffen, daß sich zumindest punktuell an ein oder zwei Stellen des Betriebes nach entsprechender Diskussion mit den Vertrauensleuten ein Streik machen läßt. Im Betrieb hält sich die Gewerkschaft aber noch zurück. Das wollen wir aufbrechen. Mit der Unterstützung der IG Metall als Organisation können wir, glaube ich, rechnen. Die IG–Metall–Betriebsräte stehen solchen Aktionen jedoch noch sehr reserv zu nehmen. Der neue Vorstandschef Edzard Reuter will eine neue Unternehmenskultur. Was merkt ihr davon? Wir hatten ein Transparent mit der Frage „Was sagt der Sozialdemokrat Reuter?“ zur Ausbeutung in Südafrika. Ich denke, daß er politisch schon anders agiert als sein Vorgänger. Die Rücknahme der Entlassungen und die Zurückhaltung des Werkschutzes gestern kann damit zusammenhängen, daß Reuter weiß, wie politisch brisant die Situation ist. Interview: Benedict M.Mülder