Lebenszeichen von der Geisel Schmidt

■ Videoband von entführtem Siemens–Techniker / Freilassung Hamadeis gefordert / Aus Beirut Petra Groll

Erstmals seit seiner Entführung im Januar diesen Jahres gibt es ein Lebenszeichen des in Beirut entführten Siemens–Technikers Schmidt. Er forderte Bonn auf, eine von den USA unabhängige Nahost– Politik zu betreiben und die Freilassung des in Frankfurt einsitzenden Hamadeis zu „studieren“. Hamadei wird beschuldigt, bei der Entführung einer TWA–Maschine mitgewirkt zu haben. Mit der Nicht–Auslieferung a

In seiner ersten persönlichen Erklärung an seine Familie, Freunde und Landsleute konnte jetzt auch Alfred Schmidt, ein am 20. Januar dieses Jahres aus dem Westbeiruter Luxushotel „Summerland“ gekidnappter Siemens–Techniker, seine Angehörigen von seinem Wohlbefinden informieren, sowie der Bundesregierung die Forderungen seiner Kidnapper übermitteln. Auf dem in der Nacht von Montag auf Dienstag bei einer Westbeiruter Nachrichtenagentur deponierten, vier Minuten langen Video–Clip verliest der verhältnismäßig ausgeruht aussehende 47jährige Schmidt die Botschaft: Ich werde gut behandelt, kommt ihr den Leuten hier entgegen, bringt Verständnis für sie auf und erfüllt ihre Forderungen. Die Bedingungen der Geiselnehmer von Alfred Schmidt und Rudolf Cordes (der drei Tage vor Schmidt ebenfalls gekidnappte Hoechst–Middle–East–Manager) sind, trotz der von der Bonner Regierung verhängten Nachrichtensperre längst bekannt und unverändert: Freilassung des verhafteten 22jährigen Mohammed Ali Hamadei, eines libanesischen Schiiten aus dem südlibanesischen Dorf Saouneh. Im Gepäck des jungen Mannes finden die bundesdeutschen Schnüffler am 13. Januar 1987 Sprengstoff, darüber hinaus verlangen die USA die Auslieferung Mohammed Ali Hamadeis, der angeblich an der Entführung einer US–amerikanischen Verkehrsmaschine der „Trans World Airlines“ (TWA) im Juni 1985 nach Westbeirut beteiligt war. Obendrein wird wenige Tage später, ebenfalls im Januar 1987 auch noch Hamadei–Bruder Abbas in der Bundesrepublik festgenommen. Wahrlich, die bundesdeutschen Behörden haben einen „dicken Fang“ gemacht. Es stellt sich heraus, daß die Hamadei–Familie ein wie bei den armen schiitischen Familien Südlibanons durchaus üblich kinderreicher und weitverzweigter Clan ist. Abdel–Hadi Hamadei, der große Bru der, ist wenigstens Sympathisant der pro–iranischen Integristenpartei Hizbollah, der „Partei Gottes“, die sich auch im Libanon beachtlichen Rückhalts bei der schiitischen Bevölkerung erfreuen kann. Abdel–Hadi soll, so behaupten jedenfalls geschwätzige Kreise in der libanesischen Hauptstadt, seinen Unterhalt im Sicherheitsstab der Botschaft der islamischen Republik (Iran) in Westbeirut verdient haben. Über die iranische Botschaft in Westbeirut heißt es auch, sie sei längere Zeit als Aufbewahrungsort diverser ausländischer Geiseln benutzt worden. Zu weiteren Informationen aus dem Familienkreis haben auch Beiruter Journalisten keinen Zugang, der Clan hält dicht. Die „Affäre Cordes/Schmidt“, darüber kann kein Zweifel mehr bestehen, erfordert von seiten der Bundesregierung tatsächlich Einfühlungsvermögen in orientalischen Familiensinn. Müßig, den vielfältigen Reiseaktivitäten der von Bonn gesandten Unterhändler und Emissäre nachzugehen, auch die Entführer haben offensichtlich eingewilligt, die Verhandlungen mit der Bundesregierung im Stillen zu führen. Einmal geht die Rede vom aus dem libanesischen Tripoli stammenden sunnitischen Unterhändler Rashid Mahroum, der die sensationslechzenden deutschen Magazine mit schillernden Erzählungen zu fantastischen Informationshonoraren zu locken sucht, dann wieder heißt es, Wischnewsky habe die Reise nach Teheran angetreten, die Hintermänner der Geiselnahme (man vermutet den schiitischen Klerus) günstig zu stimmen. Auch die beiden Firmen Hoechst und Siemens sollen die Initiative ergriffen und versucht haben, ihre Betriebsangehörigen freizubekommen. Hochrangige Verhandlungsrunden zwischen bundesdeutschen Behörden und Politikern einerseits und ihren US–amerikanischen Counterparts andererseits führen Ende Juni schließlich zur Entscheidung, Mohammed Ali Hamadei entge gen des von US–Außenminister Shultz höchstpersönlich formulierten Auslierferungsgesuchs nicht den US–Behörden zu übergeben. Die erste Forderung der Kidnapper von Rudolf Cordes und Alfred Schmidt ist damit erfüllt. In einem am 8. Juli der Westbeiruter Tageszeitung An Nahar zugespielten Brief, dem zur Verifizierung Fotokopien der ersten Seiten des Reisepasses von Rudolf Cordes beigefügt wurden, bekennt sich die bislang unbekannte Gruppe „Mudjaheddin für den Frieden“ zum ersten Mal zur Entführung der beiden Deutschen. Die Entführer begrüßen die „positive Entscheidung“ der deutschen Behörden und verleihen ihrer Hoffnung Ausdruck, daß die Bundesrepublik „aus dem imperialistischen Magnetfeld“ ausbricht und Mohammed Ali Hamadei freiläßt. „Jeden positiven Schritt der deutschen Regierung werden wir mit mehreren positiven Schritten beantworten, denn wir begrüßen positive Schritte“, hieß es in dem in arabischer Sprache verfaßten Statement. Auch das syrische Regime, mittlerweile zur selbsternannten Ordnungsmacht in Westbeirut avanciert, wurde mit Wohlwollen seitens der Entführer erwähnt. Man „begrüßt das Verständnis, das die syrische Führung für die Motive der Geiselnehmer aufgebracht hat“, hieß es weiter und die „Mudjaheddin“ verlangen, daß die Bundesregierung sich bei der Damascener Führung entschuldigt, ihren Botschafter nach der „Hindawi–Affäre“ aus der syrischen Hauptstadt abberufen zu haben (Hindawi war in London im Zusammenhang mit einem geplanten Anschlag auf eine israelische EL–AL–Maschine festgenommen worden. Die Briten verdächtigen syrische Geheimdienstkreise). Die Bundesregierung entschuldigt sich zwar offiziell nicht, ernennt aber noch im gleichen Monat ihren neuen Botschafter in der syrischen Hauptstadt. Auch schiitische Würdenträger, wie der als „spiritueller Führer“ der Hizbollah im Libanon geltende Sheikh Fadlallah versprechen der bundesdeutschen Öffentlichkeit wiederholt, sich im Sinne der beiden deutschen Geiseln und für deren sofortige Freilassung einzusetzen. Die Angelegenheit der Herren Cordes und Schmidt, so versichern die schiitischen Notablen, sei garantiert einfacher zu regeln als das Schicksal vieler anderer insgesamt 26 ausländischen Geiseln, die teilweise schon bis zu drei Jahren festgehalten werden.