Das „Antreten zum Warenempfang“ ist out

■ Gestern ging die 79. Internationale Herbstmesse in Frankfurt zu Ende / 3.609 Aussteller auf 118.500 Quadratmetern / Luxus allerorten / Produzent von Nonsens–Artikeln beklagt sich über Plagiate

Aus Frankfurt Heide Platen

3.609 Aussteller stellten bis gestern auf der 79. Internationalen Frankfurter Herbstmesse aus. Und einer stellte sich an. Die Firma „Harlekin“ aus Wiesbaden beschickte den größten Teil der Sonderausstellung „Plagiate“ und ist empört, daß ihre Produkte gnadenlos abgekupfert werden. Das gilt für den Pinkelascher wie für den Busenbecher, für das Eva– Glas mit handlicher Taille wie für die Gummibärchen–Brosche. Und es ist kaum zu glauben, die Plagiate sind jeweils noch ein bißchen scheußlicher gestaltet als die Originale. Die Erfinder des Schwammbusens und des Weinkelchs mit Stacheldrahtstiel raten ihren KollegInnen u.a. zum „Geschmacksmuster“–Schutz, der 15 Jahre währt und „neuartige Formgebung“ schützt. Sehr geschmackvoll. Auch dem Baby schmeckt es jetzt nach dem Willen einer Münchner Firma besser, „keimfrei“ und ohne „Ansteckungsgefahr zwischen Mutter und Kind“. Das Breichen wird von einem Löffelchen mit eingebautem Thermometerchen gefüttert, da muß die Mutti nicht mehr vorkosten und das Kind ist „vor Mund– und Magenverbrennungen“ geschützt. Später braucht es - so um Ostern rum - eine Art Schraubstock aus Plastik, die „Eiermalmaschine Color Fix“. Aber erst kommt Weihnachten - und damit die Lebkuchenmühle „für den Hausgebrauch“ aus „edlem Mahagoni“ ins Heim. Und nicht nur die, sondern auch der komplette Weihnachtsbaum aus Plaste in leuchtfarbiger Pracht, plus Plastikherzchen in rosa. Und auf den Gabentisch gehören die Katzenmütze und die Schweine–Schlappen aus Plüsch. Edel ist überhaupt vieles auf der Konsumgüter–Messe. Der Trend hat es in sich und die Preise auch. Gefragt ist alles, was gut und teuer ist. Sämtliche Messehallen sind dicht besetzt mit Kunsthandwerk, vor allem Töpferarbeiten und SchmuckherstellerInnen warten mit teuren Unikaten auf. Seidenstoffe, feinste Lederwaren und Designer–Haushaltsgeräte konkurrieren um Kunden mit Brieftasche. Das Kunsthandwerk beschickt mit 804 Ausstellern die größte Zahl der Stände. Gestylt muß werden um jeden Preis, vom Gartenbrunnen bis zum Kaminständer samt Feuerhaken. Messe–Geschäftsführer Horstmar Stauber legte während einer Pressekonferenz dar, was die „Denver“– und „Dallas“–Bedürfnisse sind: „So well relax over a nice dinner, with good china and crystal, and just the elegance of the table setting makes it more relaxing.“ Dies, räumt er selber ein, „mag etwas snobistisch klingen“. Der Markt ist in Bewegung, der Verbraucher wird kritischer. Dazu Stauber: „Die Konsumenten, die früher bereit waren, schlicht zum Warenempfang anzutreten, sterben aus.“ Friede ihrer Asche. Aus der geboren ist der neue König Kunde, der „Luxus– und Genußwerte immer weniger negativiert“, Handwerkstradition zu schätzen weiß, dennoch keine alten Hüte kauft und von Erlebnishunger in die Einkaufszonen getrieben wird. Nicht ohne Grund ist die Messe– Leitung stolz auf ihre Ausstellung „Unikat Schmuck 87“. Arbeiten von 40 KünstlerInnnen liegen in den Vitrinen. Silber und Gold sind, vorwiegend mattiert, mit Holz, Plastik, Plexiglas, Gummi, Glas kombiniert. Die Formen sind vorwiegend fragil und geometrisch. Nicht dabei ist Schmuck eines Standes, der ganz auf Natur und Steinzeit setzt. Grobe Äste und Ästchen sind mit Lehmkugeln behängt und mit Straßsteinen besetzt. Zwei Trends sind hier auf das Schönste, wenn auch nicht Ästhetischste, verbunden. Naturbelassene Materialien stehen neben einem riesigen Angebot von Glitter, Glamour, Pailletten, Blattgold, Glanz und Gloria im Regal. Da nimmt sich „Das Zwergen Kaufhaus“ mit seinen bärtigen Kerlchen mittendrin richtig exotisch aus. HIER kommt so ne doofe Anzeige hin!