Gnadenlose Konkurrenz

■ Das „Schrumpf“–Konzept der Medien

Der Zeitgeist schlägt zurück. Die Wiener–Schreiber werden jetzt mit jenem zynischen Grinsen auf die Straße gesetzt, das sie selbst jahrelang mitgestaltet haben. Zum Mitleid besteht wenig Anlaß. Trotzdem sollte ihr Rausschmiß allen JournalistInnen zu denken geben. Woran liegt es eigentlich, daß so viele KollegInnen, die in den Medien mit der Produktion von Texten, Tönen und Bildern ihren Lebensunterhalt verdienen, ihr Recht auf einen gesicherten Arbeitsplatz so widerstandslos preisgeben bzw. es gar nicht erst einfordern? In den Fabriken und in den Dienstleistungssektoren müssen die Unternehmer eine Fülle von Tricks, von der „kapazitätsorientierten Arbeitszeit“ bis zur Tele–Heimarbeit, anwenden, um den gewerkschaftlichen Widerstand gegen die Entgarantierung zu unterlaufen. JournalistInnen verhalten sich so, als hätten sie noch nie etwas von der Notwendigkeit gehört, Arbeitsbedingungen kollektiv zu verteidigen. In den Rundfunk– und Fernsehanstalten ist der Zug längst abgefahren. Die Freischaffenden, vereinzelt und auf ihre ständig sprudelnde Kreativität angewiesen, werden gegeneinander ausgespielt und klauen sich gegenseitig die Butter vom Brot. Die Gesetze des freien Marktes der Arbeitskräfte sind die Gesetze der freien Wildbahn: Der mit den besten Beziehungen und mit den wenigsten Skrupeln, auch das schäbigste Thema noch zur Sensationsstory hochzustylen, setzt sich durch. Auf der Strecke bleiben aber letztlich alle dabei. Denn Atempausen, Bedenk–Zeiten oder gar der kluge Verzicht, ein Thema überhaupt auszuschlachten, bleiben keinem übrig. So wünschen sich die Arbeitgeber ihr Arbeitskräftereservoir, und so scheinen sie es jetzt auch in den Printmedien durchsetzen zu können: unsolidarisch und zur gnadenlosen Konkurrenz bereit. Man könnte auch sagen: ohne Klassenbewußtsein. Imma Harms