K O M M E N T A R Normalität der Gewalt

■ Die Hinrichtungen in Südafrika

Todesurteile und Hinrichtungen sind in Südafrika nichts ungewöhnliches. Allein in diesem Jahr fielen 104 Menschen den Apartheid–Henkern zum Opfer, letztes Jahr waren es sogar 121. Zur Zeit warten noch 243 im Zentralgefängnis in Pretoria auf ihren Tod. Ihr Schicksal stößt auf wenig Anteilnahme in der Weltöffentlichkeit. Nur wenn Oppositionsgruppen Kampagnen zur Begnadigung ihrer zum Tode verurteilten Genossen anstrengen, wird die Normalität südafrikanischer Herrschaftspraxis für einen Augenblick durchbrochen - in der Regel ohne Erfolg. Denn der internationale Protest bleibt verbal und damit ohne Konsequenzen. Viele der Todeskandidaten werden hingerichtet, weil sie selbst tatsächlich oder angeblich hinrichteten. In den vom Bürgerkrieg erschütterten schwarzen Townships werden Kollaborateure von Straßengerichten zum Tode verurteilt oder von aufgebrachten Massen gelyncht. Doch unabhängig davon, ob im Einzelfall die Tat nachgewiesen werden kann oder nicht, der Apartheid–Staat besitzt keine Legitimation, darüber zu urteilen, da er selbst systematisch die schwarze Bevölkerungsmehrheit terrorisiert. Gegen die Strategie des Apartheid–Regimes, vorhandene Differenzen zwischen den Schwarzen auszunutzen und sie gegeneinander auszuspielen, gehen die Anti– Apartheid–Aktivisten ebenso entschlossen vor wie das Regime beim Versuch, die Opposition zu zerstören. Die Opfer sind auf jeden Fall Schwarze. Die Saat des Apartheid–Regimes ist aufgegangen. Gewalt gehört zum Alltag vor allem der schwarzen Jugendlichen. Selbst moderate Kirchenführer und Gewerkschafter haben inzwischen die Hoffnung aufgegeben, daß der Konflikt mit friedlichen Mitteln zu lösen ist. Michael Fischer