High–Tech–Gipfel: Alles ruhig geblieben

■ Internationale Funkausstellung geht zu Ende / „Rekordmesse“ schafft alle / Händler zufrieden / ARD liegt in der Publikumsgunst vorm ZDF / Private kommen noch nicht so richtig auf die Hufe / Streit um das frühe Ei

Von Benedict M. Mülder

Berlin (taz) - Das alte Hutzelmännchen, das jeden Vormittag vor dem Berliner Messeareal seine seelischen Orientierungszettelchen verteilte, lag gar nicht so schlecht: „Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“ (Jesaja 43, Vers 1), lautete die Erbauung für die inzwischen auf über 300.000 Menschen angeschwollene Besucherzahl. Dein Name sei Freizeit und dein Tun ein Knopfdruck. Welle um Welle, 49 aus dem Bundesgebiet, überfluteten sie die Hallen und Stände. „Fürchte dich nicht“, und wer D2– Mac zu Beginn der Woche noch für eine Erfindung von Burger–King hielt, ist am Ende eines Besseren belehrt. Vor allem weiß er, daß die Industrie der braunen Waren wieder einen tollen Werbeclou in Szene gesetzt hat und der Bundespostminister sie wunderbar dabei unterstützt. Wer ein schärferes Bild haben will und den Ton klarer, steigt eben um. Nur an Empfangsgeräten mangelt es. Was solls, sagt der Minister, der seine Verkabelungsträume immer noch für das Gelbe vom Ei hält, die Technik ist zukunftsweisend. Möge auch die Trägerrakete des neuen Satelliten im November wieder ins Meer fallen. Aber mit Optimismus pflegen die Experten, Macher und Verkäufer von telegener Soft– und Hardware, Messeklimata aller Orten zu umschreiben. Der rauchintensive Würstchenverkäufer neben RTL plus beherrschte die Optimierungsstrategie genauso wie die Professionellen. Die Luxemburger, die jetzt, weil mehrheitlich in deutscher Hand, nach Köln und München umziehen, hatten im Kampf um die Schlagzeilen zumindest in einem Punkt den „Mund vorn“ (Rudi Klausnitzer von SAT 1). Ihre Ankündigung, Anfang Oktober ein Frühstücksfernsehen zu starten, hat bei Fans und Feinden eingeschlagen wie die 16minütige technische Unterbrechung der Goldjungen von ARD eins, die dennoch Thommy Gottschalk im Zweiten auf Platz 2 der Publikumsgunst verwiesen. Als „Generalintendanz“ für die Konkurrenten fühlte sich mit einem Mal RTL–Plus–PR– Chef Hendrik Schmidt. SAT 1 sprang vage auf den Frühstückszug auf, ARD und ZDF folgten in der Gewißheit, eines Tages zurückzuschlagen. Frühstück ist eine Grundmahlzeit und gehört demzufolge auch zur Grundversorgung, der die Öffentlich–rechtlichen verpflichtet sind. Nur der nicht aus Gebühren aber, vor allem aus Bonner Steuergeldern finanzierte Berliner RIAS hatte im Streit ums frühe Ei das Nachsehen. Konzepte sind rar, ein Starttermin auf der Berliner Schiene unter dem Dach von SAT 1 steht aus und erst recht die Hilfe der ARD, bei der RIAS lediglich assoziiertes Mitglied ist. Fragen über Fragen. Doch der Kampf geht weiter. So wird es bald ein großes Gerangel um Gebührenerhöhungen geben, SWF–Intendant Hilf forderte schon mal vorsichtshalber vier Mark mehr. Nur weiß noch niemand, worin die bestehen soll. Peter Glotz: „Auch für die Anstalten gilt der Wettbewerb.“ Aber die Funkausstellung sollte ja nicht in erster Linie klären, sondern verkaufen. Zum Bei spiel das in allen Farben lieferbare „Swinging pool“ für den, der auch im Wasser nicht auf Radiotöne verzichten möchte - garantiert wasserdicht, aber nicht wellen fest. Kommentar eines Bürgers aus dem Wedding: „Ein Sturm im Wasserglas“. Andere fanden das Solarkraftwerk im Aktenkoffer attraktiver. Das „solar power pack“ leistet bis zu 40 Watt und ist wohl für stille Stunden draußen gedacht, wo es am Strom aus der Steckdose mangelt. Vier Stunden Sendezeit werden vom Hersteller garantiert. Und wenn demnächst auf einer Party mal von einem „Heim–Bussystem“ die Rede sein sollte, so geht es dabei nicht um behindertenfreundliche Fortbewegungsmöglichkeiten, sondern um einen Personal Computer, der in den eigenen vier Wänden einfach alles macht: die Kaffeemaschine anstellt, die Überwachungsanlage steuert oder elektrische Türschlösser miteinander kombiniert. Service rund um die Uhr. Niemand denkt dabei heute noch an „1984“ und entsprechenden Orwellschen Überwachungshorror. Bis auf ein paar geklaute Recorder und zerbrochene Vitrinen sind „besondere Vorkommnisse nicht zu vermelden“, hieß es bei der Messepolizei. Über 250 Wachmänner waren dafür rund um die Uhr im Einsatz. „Wir haben unser polizeiliches Ziel, die Aufrechterhaltung der Ruhe, hervorragend erreicht“, freute sich der Abschnittsleiter.