Deutsche Geisel frei - Strikte Nachrichtensperre

■ Libanesiche Entführer ließen Alfred Schmidt auf syrischen und iranischen Druck hin frei / Nichts Neues von Rudolf Cordes / Weiterhin Stillschweigen über die Bedingungen der Freilassung von Alfred Schmidt

Aus Beirut Petra Groll

Alfred Schmidt, einer von zwei Bundesbürgern, die Ende Januar im Westteil der libanesischen Hauptstadt Beirut entführt worden waren, ist gestern morgen von seinen Kidnappern freigelassen worden. Der 46jährige Ingenieur, der zum Zeitpunkt seiner Entführung für den Siemens–Konzern im Libanon arbeitete, wurde zur Mittagszeit in der syrischen Hauptstadt Damaskus dem syrischen Außenministerium und dem dort anwesenden deutschen Botschaf ter übergeben und soll sich mittlerweile schon in der BRD befinden. Offenbar konnte die Bundesregierung auch in Damaskus ihre totale Nachrichtensperre in der Affaire Cordes/Schmidt durchsetzen. Hatte das syrische Außenministerium noch am frühen Montag morgen die vor Ort anwesenden deutschen Journalisten mit Informationen über die kurz bevorstehende Freilassung des seit 230 Tagen Gefangenen Alfred Schmidt versorgt, so wurde außer der Ankunft der Ex–Geisel in Damaskus bis Redaktionsschluß nichts weiter über den Ablauf der Verhandlungen und die Umstände der Freilassung bekannt. Völlig unklar bleibt auch das Schicksal der zweiten deutschen Geisel im Libanon, des 53jährigen Hoechst–Managers Rudolf Cordes, der drei Tage vor Schmidt, am 17.1.87, ebenfalls in Westbeirut gekidnappt worden war. Die Kidnapper der beiden Deutschen fordern von der Bundesregierung vor allem die Freilassung der Brüder Mohammed Ali und Abbas Hamadei, zwei Schiiten aus dem Südlibanon, die im Januar in der BRD verhaftet worden waren. Die Hamadei– Brüder sollen in der BRD wegen Sprengstoffbesitz vor Gericht gestellt werden. Die USA forderten jedoch von der Bundesregierung die Auslieferung Mohammed Ali Hamadeis, weil gegen ihn Beweise vorliegen sollen, die den Vorwurf untermauern, er sei 1985 bei der Entführung einer Verkehrsmaschine der US–Flugesellschaft Trans–World–Airlines nach Beirut beteiligt gewesen. Die Highjacker hatten damals einen Taucher der US–Marines erschossen. Deshalb ermitteln die USA auch wegen Mordes gegen den 23jährigen Libanesen. Die Bundesregierung lehnte Ende Juni jedoch die Auslieferung Hamadeis ab. Damit war der dringlichsten Forderung der Kidnapper von Rudolf Cordes und Alfred Schmidt nachgekommen. In einem fotokopierten Brief war in der Nacht zum Montag eine europäische Nachrichtenagentur auf die kurz bevorstehende Freilassung Alfred Schmidts hingewiesen worden. Dieser Schritt sei eine Antwort auf die Garantien und Versicherungen, die die Kidnapper aus der BRD erhalten hätten: Ein Zeitplan für die Freilassung Mohammed Ali Hamadeis und die Freilassung der beiden Geiseln im Libanon sei in beiderseitigem Interesse abgestimmt worden. Die Bundesregierung behauptete auch am Montag, eine Freilassung Hamadeis sei nicht beabsichtigt. Fortsetzung auf Seite 2 Der Deutsche hat Freiheit der Gesinnung und daher merkt er nicht, wenn es ihm an Geschmacks– und Geistesfreiheit fehlt. G O E T H E Die Frage nach den Bedingungen der Freilassung des Siemens– Technikers Alfred Schmidt bleibt vorläufig unbeantwortet. Die Firma Siemens dementierte am Montag in München die weitläufig bekannt gewordene Vermutung, ein Lösegeld zwischen acht und zehn Millionen DM für seine Freilassung gezahlt zu haben. Wie aus drei verschiedenen Verlautbarungen der Kidnapper, die in den vergangenen Wochen Westbeiruter Medien zugespielt worden waren, ersichtlich wurde, haben bei den Verhandlungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Geiselnehmern sowohl das Regime in Damaskus wie auch die Führung der Islamischen Republik Iran eine tragende Rolle gespielt. Die Besuche verschiedener deutscher Regierungs– und Oppositionspolitiker in Syrien und Iran im Lauf der letzten Wochen sprechen dafür. Die Bundesregierung hat den Geiselnehmern und den starken Kräften in deren Rücken offensichtlich verlockende Angebote machen können. Bundesaußenminister Hans–Dietrich Genscher hatte sich zum Golfkrieg wesentlich Iran–freundlicher geäußert als die Vereinten Nationen; Syrien soll u.a. mit großzügigen Finanzspritzen ermuntert worden sein, sich für die Freilassung der beiden Bundesdeutschen einzusetzen, heißt es aus diplomatischen Kreisen. Die schiitischen Kidnapper, die den beiden Geiseln ernsthafte Konsequenzen angedroht hatten, falls die Bundesregierung nicht auf ihre Forderungen eingeht, verlangen auch weiterhin Hamadeis Freilassung. Zwar sei die Freilassung der ersten deutschen Geisel ein positiver Schritt, urteilten Beobachter in Westbeirut am Montag, doch sei wohl mit einer Freilassung von Rudolf Cordes so bald nicht zu rechnen. Ähnlich spannend, wie die Vermutung über den Aufenthalt von insgesamt 24 weiteren ausländischen Geiseln im Libanon, dürfte in der BRD die Frage des Aufenthaltsortes der Hamadei–Brüder sein. Unter Umständen hat Hoechst–Manager Rudolf Cordes also noch eine lange Zeit als unfreiwilliger Gast bei den im Umfeld der pro–iranischen Schiitenpartei Hizbollah vermuteten Kidnappern vor sich. Mit dem erstmaligen Vordringen auf libysches Territorium im Zuge des Grenzkonflikts um den Aouzou–Streifen hat die tschadische Führung die Konsequenzen aus dem Verlust der Ortschaft gleichen Namens Ende August gezogen. Aouzou, im Norden des Tschad gelegen, konnte nach 14jähriger libyscher Besetzung ganze zwei Wochen gehalten werden, bevor die Führung in Tripolis zum Gegenschlag ausholte. Das Fazit der Militärs in NDjamena: Die Regierungstruppen von Präsi dent Habre können Stellungen im Norden des Landes nur halten, wenn die grenznahen gegnerischen Luftwaffenstützpunkte ausgeschaltet werden. Aus dieser Logik heraus erfolgte die Zerstörung der Luftwaffenbasis Maaten–as– Sara im Südosten Libyens. Beobachter in Paris wiesen am Wochenende darauf hin, daß der tschadische Vorstoß auf libysches Gebiet dem Grenzkonflikt eine neue Dimension verleiht. Informierte Kreise beurteilten die tschadische Offensive als „sehr störend“. Frankreich hatte bereits die vorübergehende Rückeroberung von Aouzou mißbilligt. Der französische Verteidigungsminister Andre Giraud erklärte am Montag vormittag, die Gefahr einer Konfrontation zwischen Libyen und Frankreich bestehe nur im Falle einer libyschen Intervention „im Innern des tschadischen Territoriums“. Der französische Einsatzplan „Sperber“ im Tschad sei „im wesentlichen abschreckender und defensiver Natur“. Der Plan war im Februar 1986 im Rahmen des Militärvertrags zwischen Frankreich und seiner ehemaligen Kolonie nach einer von Libyen unterstützten Offensive regierungsfeindlicher tschadischer Organisationen beschlossen worden.