Boliviens Koka kommt den USA gerade recht

■ Mit Hilfe der US–Armee soll im ärmsten Land Südamerikas der Anbau von Koka reduziert werden / Hinter dem Einsatz des Großen Bruders verbergen sich strategische Interessen / Bislang haben die USA keinen Militärstützpunkt auf dem Subkontinent / Auch die BRD mischt mit

Aus La Paz Gaby Weber

1990 soll es mit der Koka in Bolivien endgültig vorbei sein. Das Parlament in La Paz debattiert zur Zeit über den „Plan Trienal“, den Dreijahresplan, nach dem der Koka–Anbau von derzeit 65.000 Hektar auf 15.000 reduziert werden soll. Ab Oktober 87 sollen die Bauern „freiwillig“ auf andere Produkte, wie zum Beispiel Kaffee, Kakao oder Orangen, umsatteln. Im zweiten und dritten Jahr des Plans sollen die verbliebenen, für illegal erklärten Koka–Felder vernichtet werden. In Bolivien stößt der Gesetzesvorschlag auf harten Widerstand. „Solange es Nachfrage gibt“ - so der Bauernführer Genaro Flores - „gibt es Produktion, das sollten die Herren Kapitalisten eigentlich wissen“. Die finanziellen Anreize seien unzureichend. Pro Hektar Neuplanung soll der Bauer 2.000 Dollar erhalten, 350 Dollar bar, den Rest als Wechsel. Ein Hektar Koka bringt aber jährlich 8.000 Dollar ein, und der Weltmarktpreis für die begehrten Blätter ist im Gegensatz zu Kaffee und Kakao steigend. Im traditionellen Koka–Anbaugebiet, den Yungas, scheint der neue Plan bereits gescheitert. Mit den Krediten wurden - so enthüllte vor kurzem der TV–Kanal 9 - neben neuen Obstplantagen auch neue Koka–Pflanzungen finanziert. Außerdem diene das Projekt in erster Linie, so der Chefredakteur der Zeitschrift Aqui, Antonio Peredo, „zur Finanzierung hochbezahlter Techniker aus den Industriestaaten“. Von den 20,5 Millionen Dollar, die die UNO für die Anpflanzung neuer Kulturen in den Yungas zugesagt habe, fließen allein über zwölf Millionen in die Lohnkosten der Spezialisten, dazu kommen die Sachmittel wie Telefon, Büromieten, Jeeps und Propagandamaterial. „Was zum Schluß beim Bauern ankommt“, so Peredo, „ist lächerlich“. Ein Traum geht in Erfüllung Der Plan Trienal wurde auf massiven Druck der USA erarbeitet, die den Löwenanteil der 300 Millionen Dollar des zivilen Etats tragen; für den militärischen Teil wollen sie 75 Millionen locker machen. Der Plan ermächtigt die bolivianische Regierung ausdrück lich, bei der Koka–Bekämpfung befreundete Staaten um militärische und logistische Unterstützung zu bitten. Wenn der Plan Trienal Gesetz wird, geht für die Reagan–Administration ein Traum in Erfüllung: Dann gibt es endlich eine gesetzliche Grundlage für die Errichtung eines festen Militärstützpunktes - den ersten in Südamerika. „Die Wichtigkeit Lateinamerikas in der globalen US–Strategie wächst beständig, und es muß ein entsprechender Mechanismus eingerichtet werden, um den Expansionismus der Sowjetunion in Lateinamerika zu verhindern“ - so heißt es in einem geheimen Memorandum des Weißen Hauses vom 10. März 1983, das zur Zeit unter bolivianischen Oppositionspolitikern zirkuliert. „Wir müssen deshalb alle Stützpunkte kontrollieren, die Menschen, die strategischen Bodenschätze, Territorien. Wir brauchen ein neues US– Programm, und das zentrale Element muß darin die Errichtung einer Interamerikanischen Permanenten Friedens–Truppe (PPF) sein. Die PPF ist ein integraler Bestandteil der US–Maßnahmen, um dem Kommunismus und dem internationalen Terrorismus entgegenzutreten. Ihre Errichtung hat in den kommenden Jahren Priorität.“ Die USA brachten das Thema „Friedenstruppe“ innerhalb der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) auf die Tagesordnung, scheiterten aber am Widerstand selbst ihrer treuesten Verbündeten wie Paraguay und Chile. „Niemand wollte sich auf derart plumpe Weise in den Ost/West– Konflikt einspannen lassen“ sagt der Abgeordnete der „Demokratischen Linken“, Mario Rueda Pena. Die USA verlagerte sich auf bilaterale Gespräche, um ihre dauerhafte Präsenz in Südamerika durchzusetzen. Bolivien stand in der Liste ihrer auserwählten Länder ganz oben. Da ist einmal die strategische Lage, die bereits Che Guevara ins Herz Lateinamerikas getrieben hatte. Und dann gibt es natürlich die strategischen Bodenschätze, nicht nur Zinn, Kupfer, Silber, Gold, Wolfram, Erdöl und Uran. Im Altiplano, in der Salzwüste Uyuni, schlummern riesige Lithiumvorkommen. Dem leichtesten Metall der Welt wird eine große Zukunft vorausgesagt, vor allem soll es im Rahmen von Reagans SDI Verwendung finden. Im März 86 hielt der US–Senat einen Teil der Militär– und Wirtschaftshilfe mit dem Argument zurück, La Paz dulde entgegen allen Versprechungen weiterhin die Koka. Kampftruppen statt Rauschgiftfahnder Dies wirkte prompt; die drei großen Parteien, einschließlich des kurz danach sozialdemokratischen MIR, billigten kurze Zeit später daß US–Truppen zur Unterstützung der Drogenbekämpfung ins Land gerufen wurden. Im vergangenen Jahr fanden im Mai und von Juni bis November gemeinsame Übungen statt. Am Anti–Kokain–Einsatz hatten jeweils um die 220 US–Soldaten teilgenommen. Das Abkommen zwischen den USA und Bolivien erlaube eine dauerhafte Truppenpräsenz der Nordamerikaner, erklärte Verteidigungsminister Valle und berichtete stolz von ei ner zentralen US–Basis in der Estancia Josuani (in der Urwaldprovinz Beni) und von zwei US– Kasernen den Departments La Paz und Santa Cruz. Laut brasilianischen Presseberichten besitzen die USA seit dem vergangenen Jahr überdies einen eigenen Luftwaffenstützpunkt mit Flughafen in El Porvenir im Department Pando. Die beiden Manöver des Jahres 86 hatten unter dem publikumswirksamen Schlagwort der Drogenbekämpfung stattgefunden. Doch hatten die US–Soldaten trotz ihrer ultramodernen Geräte weder Drogenhändler noch ein Kokain– Labor ausfindig machen können. Und schließlich wurde immer öfter die Frage gestellt, warum man Kampftruppen nach Bolivien beorderte statt Rauschgiftfahnder der Polizei. „Die Drogenbekämpfung war nur ein Vorwand“, vermutet der Abgeordnete Rueda Pena, „um die Bevölkerung an die US–Präsenz zu gewöhnen. Im Mai dieses Jahres übten etwa 350 US–Soldaten in der Provinz Beni Aufstandsbekämpfgung unter Dschungelbedingungen. Die „Gringos“ brachten in ihrem Transporter Galaxy mehrere Hercules–C–130– und Huey–Hubschrauber mit, dazu Dragonfly OA–37–Jets, Schnellboote, Kommunikations–High–Tech und Zelte. Der Beitrag der Bolivianer war eher gering, sie steuerten einige alte Jagdhubschrauber vom Typ T 33 und ausrangierte Boote der Marine bei. Das gemeinsame Manöver „Vereinigte Kräfte 87“ gipfelte - so der offizielle Bericht - in einer Operation bei einem „Konflikt niedriger Intensität“. Dörfer wurden überfallen, die Bewohner zusammengetrieben, als Drogenhändler und Guerilleros verdächtigt und gezwungen, stundenlang auf Knien auszuharren. „Wie in Vietnam“, so der Abgeordnete Rueda Peua. Widerstand gegen den Plan Trienal Der Widerstand, dessen Bekämpfung geübt wird, richtet sich vor allem gegen den Plan Trienal. Ende Mai protestierten 10.000 Koka–Bauern in Cochabamba, zwei Demonstranten wurden erschossen, 20 verletzt und 600 verhaftet. Vom Ausmaß der Gewalt aufgeschreckt, unterzeichnete die Regierung mit der Bauerngewerkschaft ein Abkommen. Von der Dreijahresfrist will die Regierung nun nichts mehr wissen; die Verdrängung der Kulturen, versprach Außenminister Guillermo Bedregal, könne auch fünf, zehn oder 50 Jahre dauern. Trotzdem will die bolivianische Regierung auf internationale „Hilfe“ nicht verzichten. Auch Bonn wolle sich an der Drogenbekämpfung beteiligen, hieß es nach dem Weizsäcker–Besuch in diesem Frühjahr. Schon hat das Bundeskriminalamt den Fahnder Gernot Wittbecker als Verbindungsbeamten an die Botschaft in La Paz geschickt. Und auch den Plan Trienal will man mit harter Währung unterstützen. Fernando Miranda, höchster UNO–Beamter in La Paz, wünscht sich von seiten der Bundesrepublik nicht nur finanzielle Hilfe. „Bei der gewaltsamen Vernichtung der Koka–Pflanzungen“ - so Miranda - „sollten nicht nur Nordamerikaner und Bolivianer eingesetzt werden.“ Schon verhandelt das Luftwaffenministerium mit der Bundesrepublik - so titelte Presencia Ende Juli - über eine Spende von drei Messerschmitt–Hubschraubern und zwei Flugzeugen aus der Waffenschmiede Dornier. „Zum Kampf gegen den Drogenhandel“, versteht sich.