Freie Ausreise für „Refusniks“

■ Jossif Begun und zwei weiteren sowjetischen Juden ist die Ausreise aus der UdSSR gestattet worden / Jahrelange Haft und Verfolgung Ausreisewilliger damit beendet

Berlin/Moskau (taz) - „Ich bin der glücklichste Mann der Welt“, erklärte Jossif Begun am Montagabend, nachdem die Entscheidung für die Ausreise nach Israel durch die sowjetischen Behörden gefallen war. Auch zwei weitere Symbolfiguren der „Refusniks“ (ausreisewillige Juden), Viktor Brailowski und Wladimir Lifschitz, dürfen mit ihren Familien ausreisen. Begun hatte vor 16 Jahren seinen ersten Ausreiseantrag gestellt und war seither in die Mühlen der Justiz geraten. Zuletzt mußte der Hebräischlehrer eine mehrjährige Strafe wegen „antisowjetischer Propaganda“ im Arbeitslager Tschistopol absitzen und war erst vor sieben Monaten anläßlich einer von Gorbatschow durchgesetzten Teilamnestie entlassen worden. Aufsehen erregten Beguns Frau Inna und Sohn Boris, als sie im vergangenen Winter in der Arbatstraße, der Flanierstraße im Moskauer Stadtzentrum, für die Freilassung Beguns demonstrierten. Viktor Brailowski hatte von 1982 bis 1984 zwei Jahre in Sibirien verbracht, weil er angeblich die UdSSR „verunglimpft“ hatte; Wladimir Lifschitz war wegen der gleichen Anschuldigung 1986 zu drei Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Nach der Amnestie war in Moskau mit einer Entspannung im Verhältnis des sowjetischen Staates seinem jüdischen Bevölkerungsteil gerechnet worden. Wenn auch zu vorsichtig, hatten die Verbannten und ihre Freunde den Reformkurs von Michail Gorbatschow begrüßt. Doch der Glasnostkurs ließ auch antisemistische Stimmungen in der sowjetischen Öffentlichkeit zutage treten. So ist es kein Wunder, daß die meisten der 382.000 sowjetischen Juden nach wie vor ausreisen wollen. Durch die jetzt erteilten Ausreisegenehmigungen wachsen auch die Hoffnungen der Zurückgebliebenen. Aus der Arbeitslagerhaft entlassen wurde inzwischen auch der wegen Drogenbesitzes inhaftierte jüdische Dissident Alexei Magarik. Erich Rathfelder