Wann überschreitet britisches Pfund den Ärmel–Rubikon?

■ Morgen und übermorgen treffen sich die europäischen Finanzminister und Notenbankpräsidenten auf bewährte diskrete Art, um über die Zukunft des Europäischen Währungssystems zu beraten

Von Ulli Kulke

Wenn sich die Finanzminister der Europäischen Gemeinschaft an einem Wochenende „informell“ treffen, ist etwas im Busche. Nehmen dann auch noch die Notenbankpräsidenten daran teil, ist in der Welt der Devisenspekulanten Alarmstufe gegeben. Die einschlägige Szene wird an diesem Wochenende gespannt nach Nyborg auf der dänischen Insel Funen blicken, wo sich Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg und Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl mit ihren Kollegen aus den EG–Ländern ein Stelldichein geben. Die Stärkung des Europäischen Währungssystems ist offiziell angesagt, aber von erneuten Paritätenänderungen innerhalb des Europäischen Währungssystems der fixen Wechselkurse (EWS) bis hin zum Beitritt des britischen Pfundes zu diesem System muß man auf alles gefaßt sein. Beides hätte im Falle des Falles jedenfalls von den Teilnehmern vorher nicht in die öffentliche Diskussion gebracht werden können. Zu starke Unruhe an den Devisenmärkten wäre die Folge, weil sich ein jeder Devisenfuchs bei Spekulationen auf Änderungen der Wechselkurse schadlos halten will. Insofern hat die offiziell vorab lancierte Tagesordnung eine Verbindlichkeit wie die Trainertips über das Ergebnis anstehender Fußball–Großereignisse. Immerhin: Die offizielle Tagesordnung birgt auch genügend Streit in sich. Die EG–Kommission und die französische Regierung verlangt von der Frankfurter Bundesbank ein stärkeres Engagement bei der Fixierung der europäischen Währungskurse unter einander. Nicht mehr nur, wenn die Bandbreiten „erlaubter“ Schwankungen erreicht sind, soll durch Stützungskäufe die schwache, abwertungsverdächtige Währung gestärkt werden. Bereits bei der leisesten Ahnung, daß der französische Franc etwa gegenüber der DM absackt, sollen in Frankfurt Franc angekauft werden. Das wären dann „intramarginale Interventionen“. Insbesondere Paris erhofft sich damit, Spekulationen auf die Abwertung der eigenen Währung im Keime zu ersticken und sich somit peinliche, stets mit Verlust von nationalem Prestige verbundene „Währungsschnitte“ zu ersparen. Karl Otto Pöhl und seine Crew lehnen dies ab. Die Begründung: Franc–Stützungskäufe bedeuten Verkäufe von DM, die daraufhin nicht mehr unter der sicheren Obhut der Bundesbank stehen, sondern die Geldmenge „draußen im Lande“ vermehren. „Inflationsgefahr“ heißt es darob allenthalben, die man nicht noch öfter schüren will. Teures „Realignment“ Zum Jahresbeginn, kurz vor den letzten Wechselkursänderungen innerhalb des EWS (“Realignment“), verkaufte die gesamte Devisenhändlerbranche im Konzert französische Franc, weil dessen Abwertung nur noch eine Frage der Zeit war. Die Notenbanken mußten für die Stützungskäufe an aufwertungsverdächtiger DM seinerzeit insgesamt Milliarden auf den Markt schmeißen, die seither in den Augen der Währungshüter überall im Lande von Aalverkaufsständen bis Zylinderstiftgeschäften die Inflation wieder angeheizt haben. Die Umstände des letzten Rea lignments im Januar bieten aber vor allem auch Gründe zur Skepsis, ob in Nyborg nicht vielleicht doch ganz andere Dinge auf der Tagesordnung stehen. Finanzminister und Notenbankpräsidenten haben damals schließlich gelobt, aus krassen Fehlern lernen zu wollen. Bereits Wochen vor dem Währungsschnitt hatte man in Paris, Bonn und anderen europäischen Hauptstädten offen über Sinn, Richtung und Ausmaß der anstehenden Wechselkursanpassung gestritten bis hin zum regierungsamtlichen Notenaustausch. Ein ehernes Gesetz war gebrochen: Solche Dinge, die den letzten Verwalter der Portokasse in größeren Betrieben in Aufruhr versetzen müssen, können eben nur diskret laufen, ansonsten ist die Meute der Spekulanten nicht aufzuhalten. Was könnte also mit etwas Phantasie noch in die Tagesordnung von Nyborg hineininterpretiert werden? Da wäre natürlich erneut eine Wechselkursanpassung die aber eher unwahrscheinlich ist. Weitaus aktueller dürfte indes die Frage des britischen Beitritts zum EWS sein. Als einziges „großes“ EG–Land ist Großbritannien zwar offiziell Mitglied im EWS, hat sein Pfund jedoch nicht in den stabilitätsichernden Stützungskauf–Mechanismus eingebunden (siehe Kasten). Bislang konnte sich Premierministerin Thatcher als eiserne EWS–Gegnerin durchsetzen. In der Vergangenheit hatte sie auch die besseren Argumente. Das britische Pfund war bis vor wenigen Monaten auf stetigem Abwärtstrend. Lediglich der Ölexport zu Zeiten höchster Preise für das Nordsee–Gold konnte hier zwischenzeitlich Einhalt gebieten. Allein im Jahre 1986 gings mit dem Pfund gegenüber der DM um 19,6 Prozent bergab, gegenüber den wichtigsten westlichen Währungen immerhin noch um 11,2 Prozent. Kein Grund zum Weinen für Thatcher und ihre Regierung, vielmehr Ausdruck der britischen Exportschwäche in den siebziger und beginnenden achtziger Jahren - und gleichzeitig Hoffnung auf Besserung, werden doch durch die Pfundschwäche britische Waren im Ausland billiger und attraktiver. Und den freien Umgang mit diesem Hoffnungsinstrument Abwertung wollte sich London durch einen Ehevertrag mit den künftigen EWS–Partnern nicht verbauen. Ebensowenig wie das Recht auf ein hohes Zinsniveau, mit dem der chronisch hohe Geldmengenzuwachs und die Inflation im Lande begrenzt werden sollte. Stabiles Pfund Zumindest in Sachen Pfund– Wechselkurs ist jedoch inzwischen bemerkenswerte Ruhe eingekehrt, so daß nicht nur Thatchers Schatzkanzler Nigel Lawson den Zeitpunkt für einen EWS– Beitritt jetzt für gekommen hält. Das Jahr 1987 kennt das britische Pfund nur in der schmalen Bandbreite zwischen 2,90 und 3,00 DM - im Grunde eine Marge, die den vorgesehenen Schwankungsbreiten der EWS–Währungen untereinander entspricht. Selbst der ruckartige Anstieg des Öl–Weltmarktpreises von fünfzehn auf achtzehn Dollar/Barrel (159 l) hat den Pfundkurs nicht beeindruckt. Beobachter glauben allerdings, das Pfund werde von der Bank of England bewußt stabil gehalten, um den Weg ins EWS nun endlich zu ebnen. Der Arbeitgeberverband Confederation of British Industry hat kürzlich den Schritt über den Kanal–Rubikon und endlich gesicherte Kalkulationsgrundlagen für den Hauptexportmarkt EG gefordert. Bis zum heutigen Tage war jedoch ganz offenbar die Furcht Thatchers entscheidend, sie könne die währungs– und zinspolitische Autonomie an die Verwaltung der stärksten EWS–Währung in Frankfurt verlieren. Schließlich fuhr man bislang auch gut damit, über einen billigen Dollar günstig auf dem Weltmarkt Rohstoffe einkaufen zu können, die dann weiterverarbeitet zu Höchstpreisen auf dem EG–Markt der teuren DM versilbert wurden. Die Furcht Thatchers vor einem Autonomieverlust an Karl Otto Pöhl ist nicht von der Hand zu weisen. Wie Bonn und Frankfurt sich bei jedem Realignment verhalten, läßt jedenfalls nichts Gutes ahnen. Aus Exportschutzgründen weigert sich die Bundesbank ständig, die kraftstrotzende DM schlicht aufzuwerten. Zur Anpassung an den Druck der Devisenmärkte im EWS zwingt sie lieber Paris und die übrigen Partner zu entsprechenden Abwertungen, die überhaupt nichts mit deren relativ starker Stellung zu Dollar und Yen zu tun haben. Keine Frage, Bonn und Frankfurt dominieren die Währungsszene.