„Eureka“ - Wachstumshormon für die europäische Fabrik

■ Europäische Ministerrunde traf sich in Madrid / sechsundsechzig neue Projekte beantragt / Vorarbeiten zur „europäischen Technologiegemeinschaft“

Von Imma Harms

Berlin (taz) - Auf dem Weg zum Erfolg befindet sich nach Ansicht von Forschungsminister Riesenhuber die vor zweieinhalb Jahren gestartete europäische Forschungsinitiative „Eureka“, zu deren weiterer Koordinierung sich die Forschungsminister der 19 Mitgliedsstaaten gestern und vorgestern in Madrid trafen. 177 Forschungsprojekte, die jeweils Interessen von Konzernen verschiedener Partnerländer zusammenführen, sind bis jetzt in das „Eureka“–Programm aufgenommen. Das Förderungsvolumen bis 1993 ist auf neun Mrd. Mark angewachsen, 2,6 Mrd. davon trägt die öffentliche Hand der Bundesrepublik. Bei 50 der laufenden Projekte sind bundesdeutsche Unternehmen beteiligt. Und auch bei den 66 neu beantragten, jetzt in Madrid verhandelten Projekten liegt die Beteiligung bundesdeutscher Firmen mit 17 wieder bei einem knappen Drittel. Das „Eureka“–Forschungsprogramm, das auf deutsch–französische Initiative als friedliche Antwort auf US–Präsident Reagans Weltraumrüstungsprogramm SDI entstanden war, ist das wohl ehrgeizigste industrielle Umstrukturierungsprogramm geworden, das es unter international–staatlicher Regie jemals gegeben hat. Es verfolgt kein geringeres Ziel, als das „Zusammenwachsen des europäischen Wirtschaftsraums zu einem einheit lichen Binnenmarkt“. Dieses Ziel soll dadurch erreicht werden, daß die großen Konzerne neue Technologien nicht mehr wie bisher in Konkurrenz zueinander entwickeln, sondern in „vorkonkurrenzlicher“ Situation die Entwicklungslinien für die spätere Produktion gemeinsam entwerfen. So verbünden sich bei dem Projekt „Eurofar“ die europäischen Luftfahrtgiganten und sonstigen Kokurrenten Aeritalia (Italien), Aerospatiale (Frankreich), Westland (Großbritannien) und MBB (Bundesrepublik) zur gemeinsamen Entwicklung eines Luftfahr zeuges, das ein Zwitter aus Hubschrauber und Flugzeug werden soll. Etwa 75 Mark veranschlagten Entwurfskosten sollen die öffentlichen Forschungshaushalte der beteiligten Länder tragen. Vernetzung gefragt Während bisherige Forschungsprogramme zumindest teilweise den Forschungszielen, für die es ein öffentliches Interesse, aber keine industriellen Sponsoren gab (Alternativenergien, Umweltschutz) Raum verschafften, folgt die „Eureka“–Förderung einer ganz anderen Philosophie: Unterstützt wird, was der Vernetzung der europäischen Industrie zu einem großen industriellen Komplex dient, (der Forschungsminister nennt das die „europäische Technologiegemeinschaft“). Unterstützt wird, was die Konzerne ohnehin entwickeln wollen, aber allein nicht finanzieren können. Zwar betont Minister Riesenhuber, man sei stolz darauf, auch den Bereich „Erhaltung und Verbesserung der Umwelt des Menschen“ im Programm untergebracht zu haben, doch sprechen die Bilanzen von „Eureka“ eine andere Sprache: Der Bereich Umweltforschung und -technologie bleibt unter zehn Prozent des Gesamtvolumens und verzeichnet kaum einen Zuwachs. Der Löwenanteil der Mittel fließt in den Bereich Informations– und Kommunikationstechnik, der um etwa 10 der Gesamtförderungssumme aufgestockt wurde, und den Bereich Produktionstechnik, Lasertechnik, Materialforschung, der fast verdoppelt wurde und jetzt 25 Ein auffälliger Akzent, vor allem bei den neu beantragten Projekten, liegt bei der Schaffung länderübergreifender Infrastrukturen für die zukünftige „Technologiegemeinschaft“, etwa die Konzeption einheitlicher Programmiersprachen für Anwendungen in der „künstlichen Intelligenz“, Glasfasersysteme für die europaweite Nachrichtenübermittlung, an der Kommunikations–Firmen aus vier Ländern gemeinsam arbeiten, Normierungen für die Automatisierung in der Produktion bis hin zur einheitlichen Computer–ausbildung in den allgemeinbildenden Schulen. Bei den geförderten Technologien haben die verschiedenen Anwendungen der Laser–Technik besondere Bedeutung. Allein vier der 17 neu beantragten Projekte mit bundesdeutscher Beteiligung haben Laser–Anwendungen zum Gegenstand. Ihre Einsatzmöglichkeiten als Schweiß– oder Schneidewerkzeuge scheinen grenzenlos zu sein und reichen bis zur Zerlegung von schrottreifen AKWs, wie die Antragsteller betonen. Sehr drastisch haben verschiedene europäische Zigarrenhersteller ihre Absicht, mit „Eureka“–Unterstützung neue Maschinen für die Zigarrenherstellung zu entwickeln, begründet. Es müsse der Verlagerung der sehr arbeitsintensiven Zigarrenproduktion in Billiglohnländer vorgebeugt werden, deshalb müsse automatisiert werden. Der positive Effekt des Projektes wäre dann die Erhaltung von Arbeitsplätzen, meinen die Antragsteller. Nicht alle an „Eureka“ interessierten Firmen wollen staatliche Mittel abschöpfen, inzwischen wächst der Anteil der Unternehmen, die unter dem „Eureka“– Dach die selbstfinanzierte Kooperation mit anderen europäischen Partnern suchen. Finanziers für aufwendige Vorhaben gibt es inzwischen auch auf privatwirtschaftlicher Seite. Die Banken, die dem „Eureka“–Programm bisher eher skeptisch gegenüberstanden, haben sich mittlerweile zu vier Finanzierungsgesellschaften zusammengeschlossen. Eine von ihnen ist die sogenannte Financial Round Table, die auf Initiative des Vorstandssprechers der Deutschten Bank, Alfred Herrhausen, zustande gekommen ist. Dies dürfte wohl der deutlichste Hinweis dafür sein, daß die „Eureka“–Projekte auf einem erfolgreichen, sprich: einträglichem Weg sind.