D O K U M E N T A T I O N Abschaffung des Schießbefehls

■ Offener Brief des DDR–Liedermachers Stephan Krawczyk an Erich Honecker

Honecker ist wieder in der DDR. Seine Äußerung von Neukirchen, daß die deutsch–deutsche Grenze nicht so ist, wie sie sein sollte, wurde zum Gesprächsthema Nr. 1 in DDR–Kneipen und alternativen Gruppierungen. Bei der „Werkstatt der Offenen Arbeit“ in der Ostberliner Sophinenkirche verlas der Liedermacher Stephan Krawczyk einen mit viel Beifall aufgenommenen Brief an den Staatsratsvorsitzenden der DDR, Erich Honecker, mit einem Appell zur Abrüstung. In ihm wird unter anderem auch die Abschaffung des Schießbefehls gefordert. Wir dokumentieren den Text auszugsweise: Werter Herr Staatsratsvorsitzender! Wir begrüßen die auf der Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses der Teilnehmerstaaten des Warschauer Paktes dargelegten Prinzipien ihrer Militärdoktrin. Als besonders wichtig erachten wir die Feststellung, daß Sie „keinen Staat und kein Volk als ihren Feind betrachten“, sowie die grundlegende Tendenz, die militärischen Organisationen als notwendiges „Übel“ zu betrachten. (...) Wir möchten deshalb, gemäß dem Grundsatz unserer Verfassung „arbeite mit, plane mit, regiere mit“, sowie laut Artikel 103/l der Verfassung der DDR folgende vertrauensbildende Maßnahmen, die unabdingbar zur Abrüstung gehören, vorschlagen: 1. Verbot der Herstellung, des Verkaufs und der Einfuhr von Kriegsspielzeug. 2. Abschaffung des Wehrkundeunterrichtes sowie der vormilitärischen Ausbildung. 3. Verbot der Verherrlichung des Soldatseins in Propagandamaterial. 4. Abschaffung der finanziellen und beruflichen Bevorzugung von Schülern, Lehrlingen, und Studenten, die sich für einen über den Grundwehrdienst hinausgehenden Dienst in der NVA entscheiden. 5. Einführung eines von der NVA unabhängigen Zivildienstes mit Aufgaben im sozialen Bereich, sowie dessen volle Gleichberechtigung gegenüber dem Dienst in der NVA. 6. Abschaffung des sogenannten „Schießbefehls“ an der Grenze zur BRD.(...)