Gau–Verwaltung

■ Zum Streit in der EG um die Strahlengrenzwerte

Aussehen soll es wohl wie ein heldenhafter Alleingang. Doch Klaus Töpfers Ankündigung, die momentan gültigen EG–Grenzwerte über Radioaktivität in Lebensmitteln dann zu nationalem Recht zu machen, wenn keine neue EG–weite Regelung zustandekommt, ist nichts anderes als das bereits gepflegte Katastrophenmanagement, das den GAU nur noch verwaltungstechnisch beherrschen will. Töpfer folgt ungebrochen der internationalen, makabren Strahlenschutzlogik: Denn nicht das Gesundheitsrisiko entscheidet, wieviel Schutz vor Strahlen wünschenswert ist, sondern der volkswirtschaftliche Preis. Da werden Krebstote in Geld umgerechnet und mit den Verlusten für Milchbauern verglichen oder den Mehrkosten, die entstehen, weil verstrahlte Lebensmittel durch unbelastete Überseeimporte ersetzt werden müssen. Und je nach nationalem politischen Druck bemißt sich dann die Zahl der vertretbaren Krebstoten: in Frankreich etwas mehr, in der BRD etwas weniger. Doch der Streit um Grenzwerte kann nur relative Bedeutung haben. Ob eine Million Menschen mit einer hohen Dosis oder zehn Millionen mit einer zehnfachen niedrigeren belastet werden - wieviele daran sterben können, bleibt statistisch in beiden Fällen gleich. Mit Risikominderung und Gesundheitsvorsorge hat solche Politik nichts zu tun. Wenn die Krebsgefahr durch Radioaktivität erst tolerierbar wird, warum dann nicht auch bei krebserregenden Umweltgiften Toleranzschwellen schaffen, die bisher nicht existieren, weil noch davon ausgegangen wird, daß selbst die geringste Giftmenge noch schädlich sein kann? Warum nicht endgültig auf zur allgemeinen Krankheitsverwaltung! Andreas Wertz