Geister–Beschwörung

■ Zum Berufsverbotsprozeß des Postbeamten Bastian

Anfang der 70er Jahre brauchte man im europäischen Ausland oft nur ein einziges deutsches Wort, um das politische Klima in der Bundesrepublik zu charakterisieren: „Berufsverbote“. Seit den fünfzehn Jahren seines Bestehens ist dieses Wort längst zu einem Gespenst geworden, das nur noch sporadisch auftaucht. Aber gerade dann muß der Staat den alten Geist neu beschwören. Anstatt das greise Gespenst endgültig zu verjagen, demonstriert er Macht–Exempel an einigen DKP–Aktiven, wie dem jetzt um seine Berufsausübung klagenden Postbeamten Bastian. Dabei wirken die Warnungen, gewählte Mandatsträger einer zwar nicht verbotenen aber immerhin sich kommunistisch nennenden Partei würden im Dienste des Staates ihn sogleich zerstören, so verlogen und antiquiert wie die Drohrufe des Papstes vor außerehelichem sexuellen Vergnügen. Haben doch die jetzt übriggebliebenen Opfer, die DKP–Vertreter, zig– fach unter Beweis gestellt, daß gerade sie sehr eifrige Staatsdiener sind. Konnte man den Vätern des Radikalenerlasses unter dem Schock der Studentenbewegung vielleicht noch einen Anflug von Angst vor den linken „Staatsfeinden“ und ihrem Marsch durch die Institutionen abnehmen, so wirkt diese Radikalen–Hysterie heute nur noch grotesk. Denn so weit weg davon, von innen und dazu noch von links zerstört zu werden, war dieser Staat wohl schon lange nicht mehr. Und wenn es denn wirklich wahr wäre, was Ministerienvertreter jetzt vor dem Bundesverwaltungsgericht nachzuweisen versuchen, daß gerade Postbeamte im Dienst die idealen Staatszersetzer sind, warum hat sich die vereinigte Linke dann nicht schon längst auf der Straße versammelt, als Briefträger mit Umhängetasche anstatt mit Transparenten oder Steinen? Vera Gaserow