Feuer, Wasser, Luft und Erde

■ Solar–Wasserstoff–Wirtschaft soll der Solarzellen–Technik den Durchbruch bringen

Von Andreas Wertz

Da hüpft das Herz im Ingenieur. Schier unerschöpfliche Energiereserven, kein Ärger mehr mit der Natur, wenn man sie nutzt, ein einheitliches Versorgungssystem, ein großes Geschäft: „Die Solarenergie und der Wasserstoff“, zitiert der Spiegel den AEG–Manager Dr. Reinhard Dahlberg, „werden das erfüllen, was die Kernenergie versprochen und nicht gehalten hat.“ Solarer Wasserstoff ist die Verheißung. Aus Sonnenlicht mache Strom, mit Strom spalte Wasser, bewahre die Bestandteile und füge sie wieder zusammen, wenn du den Strom brauchst oder Wärme, eine Waschmaschine oder Glühbirne betreiben willst, Auto fahren, heizen oder kochen. Vom Wasser zum Wasser und dazwischen Wohlstand, ein fast natürlicher Kreislauf, deswegen „ökologisch neutral“, fast zumindest. Solar– Wasserstoff–Wirtschaft heißt High–Tech mit den vier Elementen des Aristoteles: Feuer, Wasser, Luft, Erde. Am Anfang steht die Photovoltak, ein Ableger der Computertechnik, denn ihr Kernstück, die Solarzellen, sind Halbleiter und so dem Transistor verwandt, dem Grundbaustein der Elektronik. In den Solarzellen fließt Strom, wenn Sonnenstrahlen auf ihre Oberfläche treffen. Das Material, das solches bewirkt, ist meist Silizium, chemischer Hauptbestandteil von Sand und Ton und zweithäufigstes Element der Erdkruste. Sonnenelektrizität aber kann Wasser chemisch spalten. Bei dieser Elektrolyse entstehen aus zwei Teilen Wasser (H2O) zwei Teile Wasserstoff (H2) und ein Teil Sauerstoff (O2). Ein Teil der Sonnenenergie ist nun als Gas gespeichert, in dem „Energieträger“ Wasserstoff, jenem leichtesten und kleinsten chemischen Baustein, der fast die Welt bedeutet: Die kosmische Materie besteht zu über 90 Prozent aus Wasserstoff. Die Sonne strahlt, weil seine Atome dort zu Heliumkernen verschmelzen. Auf der Erde stellt Wasserstoff jedes sechste Atom, hat sich mit Sauerstoff zu Wasser und mit Kohlenstoff zu organischer Substanz verbunden. Als Gas ist er zweiatomig, aber in der Natur kaum vorhanden - eben weil er sich gerne verbindet. Als Energiequelle hat ihn erstmals ein Bekannter Goethes, Johann Wolfgang Döbereiner verwendet. Herr Döbereiner baute ein Feuerzeug, in dem Wasserstoff über fein verteiltes Platin strömt und sich dabei entzündet. Bis heute spielt Wasserstoff in der Energieversorgung kaum eine Rolle, statt dessen in der Synthese von Ammoniak, der wir die Kunstdünger verdanken, beim Härten von Fett und beim Bombenbauen. Nun soll ihm als Energieträger die Zukunft gehören. In Pipelines oder Tanks kommt der verdichtete oder verflüssigte Wasserstoff zum Verbraucher, wo er zusammen mit Luftsauerstoff „kalt“ oder „warm“ wieder zu Wasser verbrennt: in Brennstoffzellen, die Strom erzeugen (die Elektrolyse also quasi rückgängig machen), in Industriekraftwerken, Heizkesseln, Ottomotoren oder auf dem Küchenherd. Erste Visionen einer Wasserstoffwirtschaft (in der der Strom allerdings noch aus herkömmlichen Kraftwerken kommen sollte) malte vor 30 Jahren der Professor E. W. Justi aus. Doch er hatte keine Chance, denn damals hieß die Verheißung Kernenergie. Heute sehen selbst Techniker das Ende des Atomzeitalters voraus und lassen sich statt dessen von den großtechnischen Möglichkeiten einer Solarwasserstoff–Wirtschaft faszinieren. Die ersten Grundsteine für die neue (Energie–)Welt sind gelegt. Die „Deutsche Forschungs– und Versuchsanstalt für Luft– und Raumfahrt“ (DFVLR) experimentiert für mehrere Dutzend Millionen Mark in Stuttgart und Saudi–Arabien. In Bayern entsteht, keine 20 km vom Bauplatz der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf entfernt, für 50 Mio. DM das weltweit bisher größte Pilotprojekt in Sachen Solar–Wasserstoff. Hier hat der Energieversorger Bayernwerk, sonst Hardliner in Sachen Kernenergie, einen Obulus für die solare Zukunft entrichtet. Initiator war der Gründer von MBB, Ludwig Bölkow, dem mit 75 nicht mehr seine Waffenschmiede sondern die friedliche Nutzung der Sonnenenergie am Herzen liegt. Beteiligt an der „Solar–Wasserstoff–Bayern GmbH“ (SWB) sind auch Siemens, Linde und BMW. Das Interesse der deutschen Industrie ist erwacht. Daimler, der größte Konzern des Landes, experimentiert schon seit Jahren - wie BMW - mit wasserstoffgetriebenen Autos und kann über seine Tochter AEG jederzeit das Solarzellengeschäft ankurbeln. Um ihre zukünftigen Interessen angemessen zu vertreten, haben sich Industrie und Energieversorger, von Bosch bis Wacker– Chemitronic, von Buderus bis RWE, längst im „Bundesverband Solarenergie“ zusammengeschlossen. Auf dem gestern beendeten Solar–Weltkongreß, den der Verband mitveranstaltete, vertraute sein Geschäftsführer, Ingo Wallner, der Presse an, was der Industrie jetzt nur noch fehlt: Geld von der Bundesregierung.