Den Grünen ging die Stiftung stiften

■ Sonderparteitag in Oldenburg endete ohne Entscheidung über eine parteinahe Stiftung / Böll–Familie zog ihr Angebot zurück / In einem Meinungsbild hatte die Mehrheit für das „Ländermodell“ votiert / Nur zwei Stunden Debatte über die Wahlniederlage

Von U. Sieber/Ch. Wiedemann

Oldenburg (taz) - Der Oldenburger Sonderparteitag der Grünen zum Thema Stiftung ist gestern in Begräbnis–Stimmung zu Ende gegangen. Den Grünen ging nicht nur die Stiftung stiften, sondern auch der letzte Rest Optimismus, der mit diesem Projekt verbunden war: Die Stiftungsdebatte endete ohne Ergebnis. Obwohl sich die Delegierten einen Tag lang um die Entscheidung für eines der vier Stiftungsmodelle bemüht hatten und auch der Flügelstreit über die Wahlniederlage in Schleswig–Holstein kaum spürbar wurde, konnten sie sich nicht über die Gestalt einer Grünen–nahen Stiftung einigen. Bei einem Meinungsbild über die Stiftungsvorschläge hatte das sogenannte „Ländermodell“ zwar zuvor auf Anhieb die meisten Stimmen errungen: Die Delegierten votierten mehrheitlich für eine Stiftung, die von den Grünen–nahen Bildungswerken in den einzelnen Bundesländern getragen wird und auf Bundesebene nur eine Geschäftsstelle einrichtet. Die Initiative zur Gründung einer Heinrich– Böll–Stiftung unterlag ebenso wie das Projekt einer reinen Frauenstiftung und das „Bewegungsmodell“, das von Gruppen aus der Dritten Welt– und Friedensbewegung initiiert worden war. Eine Zwei–Drittel–Mehrheit hatte das „Ländermodell“ jedoch nicht erhalten. Als die ersten Delegierten bereits abreisten, beschloß der Parteitag am Nachmittag unter großem Zeitdruck, eine Kommission einzurichten: Sechs Befürworter des Ländermodells sollten sich dort zusammen mit je einer VertreterIn der übrigen Modelle um einen konsensfähigen Vorschlag bemühen. Dieser sollte dann der nächsten Bundesversammlung zur Abstimmung vorgelegt werden. Doch dazu kam es nicht: Einer der Söhne von Heinrich Böll, Rene Böll, ging ans Mikrophon und zog das Angebot der Böll–Familie zurück: „Wir akzeptieren das Votum des Parteitags. Wir möchten den Namen meines Vaters nicht in eine grün–interne Kommissions– Auseinandersetzung bringen.“ Fortsetzung auf Seite 2 Tagesthema auf Seite 3 Kommentar auf Seite 4 Böll fuhr fort: „Wir werden die Stiftung unabhängig von den Grünen gründen.“ Daraufhin gingen die VertreterInnen der Frauenstiftung und des Bewegungsmodells ebenfalls zum Podium. Auch sie sahen keine Grundlage, ihre Vorstellungen in dem Ländermodell unterzubringen. Man habe immer erklärt, daß man sich in dem Ländermodell nicht wiederfinden könne. Die Grünen hätten immer betont, daß eine grün–nahe Stiftung vor allem parteiunabhängig sein sollte, um sich darin von den anderen Stiftungen zu unterscheiden, heißt es in einer vom Projekt Frauenstiftung und Bewegungsmodell gemeinsam vorgelegten Erklärung. Der Par teitag habe jedoch genau das Gegenteil dokumentiert: Das Ländermodell „stellt eine enge Verfilzung zwischen den grünen Landesverbänden und den Länderstiftungen bzw. Bildungswerken dar“. Die Vertreter/innen der Bewegung hätten darin nur eine „Alibifunktion“, da sie nur über ein Drittel der Stimmen verfügten. Auf dem Strömungsstreit nach den Landtagswahlen verwendete die grüne Versammlung am Vortag nur knapp zwei Stunden. Der Bremer Landesverband verwahrte sich dabei dagegen, die Koalitionsaussage nun als Schlüssel zum Wahlerfolg zu verkaufen. Die führenden Flügel–VertreterInnen äußerten sich in dieser Debatte nicht. Zuvor hatte sich die Versammlung nur mit einer hauchdünnen Mehrheit dafür entschieden, überhaupt eine Aussprache zu den Wahlergebnissen zuzulassen. Der Streit um den künftigen Kurs der Partei wurde damit auf den Strategiekongreß im nächsten Jahr vertagt. Allerdings lehnte es die Oldenburger Versammlung ab, diesen Kongreß zu einem ordentlichen Parteitag zu erheben, wie es vor allem von Realo–Seite gefordert worden war, um dann über die Strategie Beschlüsse fassen zu können. Knapp fiel auch die Diskussion um einen Leitantrag zur Friedenspolitik aus, der am Konzept der einseitigen Abrüstung und des NATO–Austritts festhält. Gegen das Votum von Otto Schily, der auch dieses Thema auf den Strategiekongreß vertagen wollte, nahm die Mehrheit der Delegierten den Antrag der Bundesarbeitsgemeinschaft Frieden an, ohne daß sich allerdings dadurch etwas an den Meinungsverschieden heiten über den Kurs in der aktuellen Friedenspolitik ändern dürfte.