Häme nach dem grünen Desaster

■ Die Bundesversammlung der Grünen löste bei SPD und FDP Spott und Kritik aus / Die grüne Bundestagsabggeordnete Antje Vollmer erkennt „Tristesse totale“ in ihrer Partei

Berlin (taz) - Am Montag nach dem Zerfall dieser denkwürdigen Bundesversammlung der Grünen in Oldenburg steht eines zumindest fest: SPD und FDP können nunmehr ungestraft über die Grünen spotten. Die Bundesgeschäftsführerin der SPD, Anke Fuchs, sagte in einem Rundfunkinterview am Montag zum Verlauf des Grünen–Parteitags: „Dieser Zerfleischungsprozeß wird warscheinlich weitergehen. Die Grünen haben offensichtlich nicht die Kraft, zu einer vernünftigen Bewegung zurückzufinden, die für diese Demokratie auch von Nutzen sein kann.“ Die Grünen hätten jetzt zu einem Umgangston gefunden, der „fast schon zu totaler Unhöflichkeit führt“. Ob die Grünen sich jedoch tatsächlich spalten werden, sei im Augenblick schwer abzuschätzen. Fuchs weiter: „Wir müssen die Grünen in dieser Situation allein lassen, und wir werden sehen, wie sie aus dieser Situation herauskommen“. Auch FDP–Generalsekretär Haussmann kritisierte den Verlauf des Oldenburger Grünen– Parteitags: „Ein von Intoleranz und Verbohrtheit geprägter Umgang miteinander stärkt den Eindruck, daß der Bruch der Grünen Bewegung nur noch eine Frage der Zeit ist“. Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Eberhard Walde, meinte dazu, SPD und FDP „freuen sich mal wieder zu früh“. Ihre Äußerungen seien zwar verständlich, entsprängen aber einem „nicht sonderlich originellen Wunschdenken“. Der Parteivorstand der Grünen will sich am heutigen Dienstag zum „Verlauf und den Ergebnissen“ der Parteiversammlung während einer Pressekonferenz äußern. Die Bundestagsabgeordnete der Grünen, Antje Vollmer, meinte gegenüber der taz, nach dem Parteitag hersche „tristesse totale“. Als „mit dem Kopf gegen die Wand rennen, damit der Schmerz nachläßt“, bezeichnete sie das Vorgehen ihrer Parteifreundinnen Anne Schulz und Vorstands precherin Regina Michalik in der Stiftungsdiskussion: „Wenn das Macht bekäme, ich schwörs, ich ginge freiwillig in jedes Exil“, meinte Antje Vollmer. Ihrer Einschätzung nach war das Ländermodell nicht kompromißfähig. Einzig das Stiftungsmodell der Böll–Initiative hätte sich für einen Kompromiß geeignet. Ohne Ranküne betrachtet, hätten die Böll– Initiativler „nur das Tor aufgestoßen, durch das alle anderen Stiftungswilligen bequemer spazieren konnten“. Auch wenn die Prominenten, die sich für die Böll–Initiative stark gemacht hatten, nach Einschätzung von Antje Vollmer bei den Grünen bei „jeder Aktion und Wahl als Unterschriftenkartell heiß begehrt“ seien, seien im Vorfeld des Parteitags „zuviele destruktive Negativenergien mobilisiert worden zur Selbstabgrenzung“. Die Abgeordnete der Grünen sieht hinter dem Desaster um die Stiftung auch einen „neuen Generationskonflikt“. Die 68er hätten ihren SDS gehabt, die K–Gruppen und die RAF und sie hätten auch die Grünen mitgeprägt. Für die Jungen sei kein Platz. Alles sei dicht: Jobs, die linken Schlüsselpositionen, die öffentliche Meinungsführerschaft in der Szene. Es sei ein Dilemma, daß anstelle der Chance, die verschiedenen Widerstandstraditionen zu verknüpfen, ein „KO–System der Überlebensinteressen“ getreten sei: „Die Überlebensinteressen - wir wissen es seit Tschernobyl - haben wenig soziale und kollektive Schubkraft. Sie enden im Kampf um die eigene Milchtüte.“ Die kurioseste Interpretation des Parteitags brachte jedoch Bundesvorständler Rolf Grösch. Für ihn, einen der Initiatoren des „dezentralen“ Ländermodells, war der Verlauf des Parteitags zufriedenstellend. Er sei „sehr zufrieden, daß sich die Grünen trotz Krise nicht in den großen Namen Heinrich Bölls und genausowenig ins Sektierertum (einer Frauenstiftung, d.Red.) geflüchtet haben“. mtm