RTL plus verfrühstückt SAT 1

■ Der luxemburgische Privat–Sender überraschte gestern mit der geheimen Kommandosache Frühstücks–TV

Mit dem „Knüller in der Kutte“, Zisterzienserabt Thomas, und einer agilen Sex–Beraterin will RTL plus ab sofort die Morgenstunden des deutschen Fernsehzuschauers vergolden. Der Überraschungscoup mit dem vorgezogenen Start des „Frühstücksfernsehens“ sollte vor allem die Konkurrenz von SAT 1 treffen, die am 1.Oktober ihre erste Morgensendung ausstrahlen will. Die Kollegen aus Mainz zeigten sich allerdings nur mäßig überrascht. SAT 1–Sprecher Johannes Fuhr jedenfalls behauptet, alles gewußt zu haben

Das war schon ein clandestines Bravourstückchen, was sich der frühere Redakteur des Evangelischen Pressedienstes und Neue Medien–Herausgeber Hendrik Schmidt da ausgedacht hat. Journalisten wurden zu einem angeblich routinemäßigen Informationsgespräch über das neugeplante Frühstücksfernsehens von RTL plus ins Herzogtum geladen. Und was sie dann spät am Abend um 23.30 erfuhren, war eine medienpolitische Kapriole oder, wie Schmidt meinte, ein medienhistorisches Ereignis. In der Brasserie Manfeld in der Altstadt unterhalb der Burg wurde den Journalisten nach einem ausgiebigen, deftigen Mahl bei candle–light der Überraschungscoup durch Programmdirektor Helmut Thoma mitgeteilt. „Wir springen schon morgen ins kalte Wasser, machen keinen Probelauf, werden als erste Live– Frühstücksfernsehen produzieren.“ Die Journalisten waren ebenso überrascht wie die meisten Mitarbeiter, die wenige Stunden zuvor von dem Coup erfahren hatten. Mit einem Glas Cognac wurden die letzten Zweifler in der Redaktion überzeugt, daß sie doch antreten müssen. „Wir haben die Konkurrenz um Längen geschlagen“, freute sich dann gestern um 8.30 Uhr Henrik Schmidt. Die Premiere war deshalb nicht angekündigt worden, weil man den Mainzelmännchen auf der privaten Schiene von SAT 1 keine Möglichkeit geben wollte, das medienhistorische Ereignis für sich verbuchen zu können. Dafür nahmen die Luxemburger sogar in Kauf, daß die Auftaktsendung nur einer exklusiven Schar, vornehmlich den eigenen Mitarbeitern oder mehr oder weniger Zufallssehern vorbehalten blieb. Dafür erhofft man sich für heute nicht nur Schlagzeilen, sondern eine ordentliche Einschaltquote. Drei Millionen Haushalte will man bis Ende 87 über Kabelantenne erreichen. Pro Programmstunde ist ein Etat von nur 4.000 DM vorgesehen. 600.000 DM Werbeeinnahmen sind bis zum Jahresende bereits verbucht. Am Premierentag war noch Schmalhans Küchenmeister. In dem zu einer Sozialbauwohnung mit Wohnzimmer, Küche und Bad umgebauten Studio in der „Villa Louvidny“ ging es ein wenig schwulstig, ein wenig bieder zu. Wenn nötig, so ein RTL–Manager, will man aber auch Helmut Kohl hier unter die Dusche stellen. Die Frühstückspause selbst fand mit 40sekundiger Verspätung statt. „Das war nicht unsere Standardsendung“, hieß es anschließend bei der Manöverkritik. Für einige Sekunden kam es sogar zum Blackout auf dem Bildschirm, weil man Probleme mit den Cassetten hatte. Ansonsten hielten sich die Pannen in Grenzen, z.B. wenn ein etwas zu eitler Moderator, Olaf Pressler, das „Polyester–Sacko“ rutschte. Nun, der junge Mann ist 25. Ihm zur Seite steht der Hund Otto, eine braune Promenadenmischung, die meist gelangweilt im Eckchen sitzt oder, wie es im Pressetext heißt, „Weibern hinterher läuft“. Will er Maskottchen werden, muß er wohl etwas mehr mit dem Schwanz wedeln. Sein Herrchen Gottfried Mehlhorn ist für das dreidimensionale Wetter zuständig. Eine Reliefkarte aus dem Geografieunterricht stand dafür Pate. Nachrichtenmann ist schließlich der 35 Jahre alte Karl– Heinz Kaul. Er gab mal eine alternative Monatszeitschrift namens Bundschuh heraus. Den meisten der neuen Tele– Stars ist gemeinsam, daß sie keine TV–Erfahrung haben, sondern bisher nur bei den fröhlichen Wellen über Radio Luxemburg reüssierten. Aus der Not hat man kurzerhand eine Tugend gemacht. Nicht nur, weil man in Luxemburg Arbeitsplätze erhalten will, sondern auch weil man sich sagt, daß die Kundschaft vor allem mit akustischen Signalen gelockt werden soll. Untersuchungen über die Akzeptanz des frühen Fernsehens sind bisher natürlich kaum zu haben. „Die Zuschauer“, so Programmleiter Popp, „wollen ein lustiges, charmantes und informatives Programm.“ Es wäre auch sonderbar, so Popp weiter, wenn sich die Deutschen gänzlich anders verhielten als ihre Nachbarn in Europa oder in den USA. „Good Morning America“ habe hervorragende Einschaltquoten. In Italien, Frankreich und Großbritan nien böten die Fernsehgesellschaften ebenfalls ein Fernsehprogramm zum Frühstück an. Der Schwerpunkt des zweistündigen RTL–Programms jedenfalls soll auf frischer Information, die jede halbe Stunde in einer Länge von mindestens fünf Minuten von einem Nachrichtensprecher vorgestellt wird, liegen. Daran anschließend der Wetterbericht, so daß insgesamt mit einer Nachrichtenberichterstattung von mehr als zwanzig Minuten ausgegangen werden kann. Bei wichtigen Meldungen wie Attentaten, Flugzeugabstürzen oder Rücktritten von Spitzenpolitikern - Barschels Rücktritt konnte gestern nicht gemeldet werden - solle das Programm durch sogenannte Flashs (Eilmeldung) unterbrochen werden. Selbstkritisch meinte indes während des Sektgelages nach der Sendung der Präsident von CLP, Gust Graas, „es fehlte heute an Nachrichten, die Leute wollten wissen, was in der Welt passiert“. Graas will diejenigen erreichen, die ins Büro gehen, die mal für 15 Minuten ins Programm schauen wollen, um sich informieren zu lassen. Programmleiter Popp hingegen denkt da eher an Durbridge oder andere Straßenfeger, „daß die Leute erst gar nicht zur Arbeit gehen“. Was gestern ausgestrahlt wurde, entsprach dem jedoch noch nicht. Das von Video–Clips unterbrochene Programm hält es mit der Ausgewogenheit. Wenn die US–amerikanische Sex–Expertin Ruth Westheimer in ihren Sextips zum Wochenende zukünftig über Vorspiel, Nachspiel und Streicheleinheiten informieren wird, darf eben auch ein echter Abt nicht fehlen. Zisterzienser Thomas gilt als Knüller in der Kutte. Scharfsinnig, deftig und bibelfest soll er seine geistig–besinnlichen Beiträge liefern. Gestern gings ums Singen im Badezimmer. Immerhin sind dem Abt keine Grenzen auferlegt, er darf nur keine verstaubten Sprüche machen. Ein anderer Mitarbeiter, den RTL gewonnen hat, ist der Pariser Modeschöpfer Lagerfeld. Er darf in „chic schnack“ machen, und dies sogar beinahe kostenlos für einen ECU (die europäische Währungseinheit). In Berlin konnte die Premiere gestern übrigens nicht empfangen werden. Die Kabelzentrale hatte nicht zugeschaltet: „Wir wußten ja von nichts“, hieß es. Benedict M.Mülder