FDP will weiter Bündnis mit der CDU

■ Interview mit dem Kieler FDP–Landtagsabgeordneten Neithart Neitzel über die künftige Haltung seiner Partei / Bündnis mit der SPD „nicht vorstellbar“ / FDP hat „viel übrig für offene Mehrheitsverhältnisse“, will aber in jedem Fall bei der CDU bleiben / „Saustall ausmisten“

taz: Wo liegt die Hemmschwelle für Sie, für die FDP, mit den Sozialdemokraten zu verhandeln? Neithart Neitzel: Wir haben eine eindeutige Wahlaussage zugunsten der CDU beschlossen und halten daran auch nach der Wahl fest. Christliche Demokraten und wir haben zusammen 37 Mandate, die Sozialdemokraten nur 36. Wir sind grundsatztreu und sind der Auffassung, daß wir keine Schwierigkeiten haben werden, unserem Wählerauftrag - der aufgrund der Koalitionsaussage zustande gekommen ist - nachzukommen. Aber die Situation ist doch derzeit eine andere. Hat Karl Otto Meyer vom SSW nicht recht, wenn er sagt, ihm komme es so vor, als sei in Deutschland ein Machtwechsel immer gleich eine Naturkatastrophe. Die FDP müßte doch viel gelassener mit der politischen Situation umgehen und auch mit den Sozialdemokraten verhandeln, zumindest Gespräche über mögliche Lösungen führen? Nicht unsere Koalitionsaussage hat zu dem Patt geführt, sondern ein Fehler, den Herr Stoltenberg 1979 begangen hat. Gegen den Widerstand von SPD, FDP und SSW hat Stoltenberg damals mit der CDU–Mehrheit durchgesetzt, das die Zahl der Mandate von 73 auf 74 erhöht wurde, und dadurch erst ist es möglich geworden, daß Karl Otto Meyer jetzt die entscheidende Stimme zukommt. Wir werden den Versuch unternehmen, einen neuen Kandidaten der CDU in das Amt des Ministerpräsidenten zu wählen. Daß dabei Überraschungen immer möglich sind, zeigt ja die Wahl, mit der Stoltenberg seinerzeit Lemke nachgefolgt ist. Damals haben of fenbar einige Sozialdemokraten für Stoltenberg gestimmt, denn er bekam mehr Stimmen als auf die CDU Mandate entfallen waren. Ich meine, es ist durchaus legitim, einen solchen Versuch noch einmal zu unternehmen. Schließlich haben wir den Wählerauftrag dafür. Schließen Sie die umgekehrte Überraschung einer Ministerpräsidentenwahl Engholm aus? Ich kann mir nicht vorstellen, daß in der CDU und in der FDP auch nur eine Stimme für Herrn Engholm abgegeben wird. Im übrigen haben uns ja die Sozialdemokraten gewissermaßen bis aufs Messer bekämpft. Noch wenige Tage vor der Wahl haben sie erklärt, sie wollten uns unter fünf Prozent drücken. Für uns ist es ausgeschlossen, daß wir mit einer Partei koalieren könnten, die uns die parlamentarische Existenzberechtigung streitig macht. Das, was jetzt von Herrn Engholm kommt, ist doch ein unsittliches Angebot. Mir kommt es so vor, als würde Bonner Wahlarithmetik ihr Verhältnis zur SPD bestimmen. Sie könnten doch in dieser verfahrenen Lage zumindest Gespräche mit der SPD aufnehmen? Nein, mit Wahlarithmetik hat das nichts zu tun. Wir haben 37 Abgeordnete einer bürgerlichen Koalition, 36 Abgeordnete der SPD–Opposition und den Abgeordneten Meyer vom SSW. Karl Otto Meyer läßt sich traditionell weder einer Koalition noch der Opposition zurechnen. Durch seine jetzt gemachten Äußerungen begibt er sich in die Gefahr, in eines dieser beiden Lager überzuwechseln. Es ist eine Frage an den Südschleswigschen Wählerverband, ob ihr Abgeordneter dazu eine Legitimation durch die Wähler hat. Mir ist er sympathisch, weil er sagt, die Wähler hätte ihre Stimmen verteilt, jetzt sei die Stunde des Parlaments, und in dieser Situation müßten sich die Blöcke bewegen, wenn anders keine Mehrheiten zustandekämen. Meyer hat doch recht, wenn er immer wieder betont, daß es nicht einzig an ihm und seiner Beweglichkeit liegen kann - bei insgesamt 74 Abgeordneten - ob ein neuer Ministerpräsident gewählt wird. Wir haben auch ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Karl Otto Meyer und können auf eine lange Zusammenarbeit mit ihm zurückblicken. Ich persönlich habe auch sehr viel übrig für offene Mehrheitsverhältnisse, weil dann das Parlament gefragt ist und man endlich wieder einmal Argumente nicht nur in Form eines Schattenboxens austauschen kann, sondern der politische Gegner, der ja für Mehrheiten gewonnen werden muß, in die Lage versetzt wird, seine Argumente in die Politik einer Landesregierung einfließen zu lassen. Das finde ich äußerst spannend. Deshalb wird unser Land nicht unregierbar. Können Sie sich eine längere Periode mit einer geschäftsführenden Landesregierung vorstellen? An Spekulationen darüber möchte ich mich nicht beteiligen. Erst einmal führen wir die Koalitionsverhandlungen erfolgreich zu Ende. Unser politisches Konzept wird dann so überzeugend sein, daß Karl Otto Meyer außerordentliche inhaltliche Schwierigkeiten bekommt, sich im dritten Wahlgang immer noch gegen einen Kandidaten der CDU auszusprechen. Ein neuer CDU–Ministerpräsident bedürfte ja nur der Stimmenthaltung des SSW. Wird sich die FDP bei Neuwahlen wieder so festlegen, oder strebt sie dann eventuell doch ein anderes Bündnis an? Ich kann mir das nicht vorstellen. Die politische Übereinstimmung mit der CDU ist größer als mit der SPD. Wenn der Saustall im Regierungsapparat ausgemistet ist, dann läßt sich auch wieder eine Koalitionsaussage für die CDU ohne jede Hintertür begründen. Interview: Max Thomas Mehr