Der rote Jochen ist tot

■ Ein störrischer Sozialist, der nicht in die Parteien der achtziger Jahre paßte / Sein Glaube an die Lernfähigkeit der SPD wurde enttäuscht, aber auch bei den Grünen fand er keine politische Heimat / Austritt aus der SPD nach 33 Jahren

Jochen Steffens Tod kam nicht überraschend. Schon lange war er krank. Immer wieder, wenn wir ihn in den letzten Jahren um einen Beitrag gebeten hatten, wurden wir, wenn auch nur via Telefon, mit seiner Krankheit konfrontiert. Egal ob er gerade wieder einmal jeden Morgen erst zwei Stunden zum Arzt mußte, er hat, soweit ich mich erinnern kann, immer für die taz geschrieben, wenn wir ihn darum gebeten haben. Ein Anruf genügte. Zwar war er aus der Politik 1979 ausgestie gen, hatte nach diesen jahrelagen zermürbenden Auseinandersetzungen in der SPD die Schnauze voll, aber schreibend mischte er immer mal wieder mit. Seine kritische Sympathie mit dieser Zeitung reicht bis in unsere Gründungszeit zu– rück. Seitdem hat er einige taz–Seiten vollgeschrieben, zuletzt Wirtschaftskommentare und einen Beitrag über Brandt (“Er fiel im Dschungelkampf“). Im Herbst 1979 anläßlich des Nachrüstungsparteitags mit dem Schmidtschen Doppelbeschluß erklärte er in einem offenen Brief in der taz seinem Nachfolger im Landesvorsitz und politischen Schüler, Günter Jansen, nicht nur den Parteiaustritt, sondern auch seine Absicht, die Grünen bei der kommenden Wahl zuunterstüzten. Er warnte die SPD davor, der neuen Partei die Schuld in die Schuhe zu schieben, wenn die Sozialdemokraten die Macht verlören. Er sah die Gründe für das Scheitern der SPD ganz woanders. Sein Glaube an die Lernfähigkeit der Partei war ihm in den siebziger Jahren verlorengegangen. Das war ausschlaggebend für seinen Austritt. Für die SPD sei eben Wachstum wichtiger als die Menschen, konstatierte er damals bitter. Zum Ausbau der AKWs meinte er, es sei der Gipfel, „mit einer nicht gesicherten Entsorgung das eigene Versagen zu einem existenziellen Risiko für Generationen zu machen“. Seit seinem 15. Lebensjahr war er Sozialist und seit 1946 Mitglied in der SPD. Wenn ihm, dem langjährigen Landesvorstizenden der SPD und Oppositionsführer im Kieler Landtag, jetzt in Nachrufen nachgesagt wird, sein Rückzug aus der SPD sei eine Flucht vor der politischen und gesellschaftlichen Entwicklung, die er nicht mehr verstehen konnte, so muß dem widersprochen werden. Jochen Steffen hat vieles schon früh gespürt. Er war demokratischer Marxist und „grüner“ Sozialist. Warum er mit den Grünen nicht viel anfangen konnte und die wohl auch nicht mit ihm,– das hatte, glaube ich, nicht nur mit seinem Rückzug aus der Politik zu tun. Jochen Steffen war eben einer von denen, die letztlich doch nicht so recht in irgendeine Partei passen. Ein allzu kritischer und störrischer Geist für die Stromlinien–Parteien der achtziger Jahre. Max Thomas Mehr