„Legendärster“ Mafia–Killer ermordet

■ Zehnköpfiges Kommando erwartete Mario Prestofilippo, den „Henker der Clans“ Ausschaltung eines gefährlichen Zeugen oder Beginn eines neuen Clan–Krieges?

Aus Rom Werner Raith

Noch vor wenigen Monaten hatte er sich absolut sicher gefühlt - so sicher, daß er, seit fast acht Jahren im Untergrund, in mehreren palermitanischen Bars auf einem Poster mit seinem Foto „Empfehlun gen“ zur anstehenden Parlamentswahl abgab. Möglicherweise jedoch, ließ eben dies das Geduldsfaß seiner eigenen Leute überlaufen: so wartete Dienstag nacht ein Killer–Kommando in Bagheria nahe Palermo auf Mario Giovanni Prestofilippo und zersiebte ihn derart - mehr als 70 Kugeln wurden gefunden -, daß seine Identität erst im Laufe des Mittwoch nachmittag aufgrund von Fingerabdrücken festgestellt werden konnte. Keine Chance für den bereits seit Jahren legendären „schnellsten Zeigefinger Sizilens“, die P38 blieb im Halfter. Die Dimension des Killerkommandos zeigt, welche Angst man vor dem 29jährigen Profi hatte: mindestens zehn Personen sollen auf den Mann auf dem Motorroller geschossen haben. Mehr als drei Dutzend Morde soll Mario Prestofilippo im Auftrag der sogenannten „siegreichen“ Clans erledigt haben, die in den frühen achtziger Jahren die alten Familien geradezu ausgerottet hatten; doch Prestofilippo war auch gegen Polizisten und Staatsanwälte, Richter und Politiker eingesetzt worden. Die Liste ihm zugeschriebener Delikte reicht vom Mord am gefährlichsten Konkurrenten der aufsteigenden Familien, Alfio Ferlito (der zusammen mit fünf Mann Polizeieskorte bei der Überführung in ein anderes Gefängnis ermordet wurde) bis zum Kugelhagel auf den Präfekten General dalla Chiesa und seine Frau. Für die Ermittler gibt die Ermordung des Killers neue Rätsel auf: waren die Fahnder, vielleicht ohne es zu wissen, bereits so nahe an den „Henker der Clans“ (so LOra) herangekommen, daß man seine Festnahme fürchten mußte? Oder - wesentlich beunruhigender - beginnt nun ein neuer Clankrieg, eine Spaltung innerhalb der „siegreichen“ Familien, die sich nach der Ausschaltung der alten Gruppen den riesigen Rauschgift– und Waffenschmuggel–Markt teilen? Auch wenn dies so wäre - die Ermittler tappen im Dunkeln; bisher wissen sie nicht einmal genau, in wessen Auftrag Prestofilippo zuletzt „gearbeitet“ hat.