Kompromiß um die „Abi–Deform“

■ Kultusminister der Länder einigten sich überraschend im „Abiturstreit“ / Mehr Leistung in der Oberstufe

Von Benedict M.Mülder

Berlin(taz) - Nach zweijährigem Streit um die „Abi–Deform“ haben sich die Kultusminister der Länder überraschend auf einen Kompromiß geeinigt. Der Krach um die Wende–Reform des Abiturs, gegen die in den letzen Jahren vor allem eine „neue Schülerbewegung“ Sturm gelaufen war, ging am Donnerstag abend nach zähen Verhandlungen in Bonn zu Ende. Ab 1989 soll es ein bundesweit anerkanntes Abitur geben, das auch die Hochschulreife in Verbindung mit einem Berufsabschluß miteinschließt. Die Mindestanforderungen für die Oberstufen werden verschärft. In der Beurteilung des Ergebnisses sind sich die Kultusminister der SPD–regierten Länder einig: „Es gibt weder Sieger noch Besiegte.“ Bremens Bildungssenator Franke, der die Verhandlungen leitete, meinte gestern mit heiserer Stimme: „Ich mußte rumbrüllen, um mich durchzusetzen.“ Als eigentlicher Sieger fühlt sich gleichwohl der NRW– Kultusminister Hans Schwier (SPD). Er meinte im Gespräch mit der taz: „An den Prinzipien der Oberstufenreform von 1972 ist nicht gerüttelt worden. Es gab das von der Union gewünschte Roll–back nicht, wir haben einen Kompromiß gefunden.“ Er räumte ein, daß die SPD–Länder sich mit ihrer Forderung nach mehr Wahlfreiheit der Abitur–Fächer nicht durchsetzen konnte. Fortsetzung auf Seite 2 In Bezug auf die beruflichen Fächer sei es aber zu einem Durchbruch gekommen. Erstmalig hätten die Kultusminister der Möglichkeit einer Doppelqualifikation - Abitur plus Beruf als Abschluß in den Kollegschulen und beruflichen Gymnasien - zugestimmt. Diese gibt es vor allem in NRW und Baden–Württemberg. Statt aber wie bisher drei Jahre müssen sich die Schüler nun eine vierjährige Oberstufe gefallen lassen. Schwier dazu: „Mit der bundesweiten Anerkennung der Kollegschulzeugnisse ist der Weg frei für eine besonnene Fortsetzung der Reform in diesem für Nordrhein–Westfalen so bedeutsamen Feld“. Auf dem anderen Feld der „Deform“, dem der Oberstufenreform,mußte die SPD hingegen Federn lassen. Alle Schüler müssen mindestens zwei Fächer der Gruppe Deutsch, Fremdsprache und Mathematik durchgängig bis zum Abitur belegen. In Hamburg, dem Land mit der bisher noch größtmöglichen Wahlfreiheit, soll dies nach einer Übergangsregelung erst ab 1996 gelten. Entsprechend einem bayerischen Wunsch wird darüberhinaus die Bedeutung insbesondere des Faches Geschichte und der Naturwissenschaften gestärkt. Allerdings soll dort, wo es angeboten wird, auch das Fach Philosophie Abiturfach bleiben. Prüfungsfach dort ist künftig noch Deutsch (auch als erstes Leistungsfach) oder eine Fremdsprache oder Mathematik, wobei die Fremdsprache diejenige sein soll, die auf der Mittelstufe gewählt wurde. Hiergegen richtete sich die Kritik vor allem der Haupt– und Realschüler, die in die gymnasialen Oberstufen wechseln und eine Zugangserschwernis darin sehen. Wie es heißt, soll die Vereinbarung nicht beim Treffen der KMK am 8. Oktober, sondern erst im Dezember unterzeichnet werden.