Senator hält Journalisten aus

■ Neue Variante von Scheckbuch–Journalismus / Berliner Senat zahlt Journalisten für positive PR / Tagesspiegel–Redakteur war nebenamtlich für Werbeagentur tätig / Ihm wurde fristlos gekündigt

Von Benedict M.Mülder

Berlin(taz) - Nur wenige Tage sind seit einer Erklärung der Berliner Zeitungsverleger vergangen, in der sie sich gegen die „zunehmenden Versuche von Senat und Politik, auf die Presse und den Rundfunk in der Stadt einzuwirken“ verwahrten, als ein Skandal besonderer Art für Schlagzeilen sorgt. Mehrere zum Teil bei Zeitungen angestellte Journalisten sollen vom Senat bezahlte „PR“ betrieben haben. Als erstes Blatt mußte der konservativ–liberale Tagesspiegel, stolz auf Seriosität und Unabhängigkeit bedacht, am vergangenen Freitag einem seiner Wirtschaftsredakteure fristlos kündigen. Er hatte „nebenamtlich“ Pressetexte und Artikel für die Berliner Werbeagentur GKM verfaßt, die im Auftrag des Wirtschaftssenators Pieroth (CDU) seit Sommer 1986 für seine „Qualifizierungsoffensive“ gut Wetter machen sollte. Neben seinem festen Gehalt bezog der Journalist dem Vernehmen nach „Honorare“ bis zu 1.400 DM monatlich. Er arbeitete zudem für die Süddeutsche Zeitung genauso wie für Nachrichtenagenturen. Der Fall war vergangene Woche aufgeflogen, weil einer Rechnung der Agentur an den Senat als Beleg eine „Ausgabenkopie“ des Journalisten F. beigefügt war. Während Pieroth am Montag betonte, „keinen Journalisten für positive Kommentare“ bezahlt zu haben, meinte die SPD, Pieroth habe sich häufiger mit ihm getroffen und „also auch gewußt, daß der Redakteur indirekt auf seiner Gehaltsliste stand“. Außerdem stehe der Verdacht im Raum, so die Oppositionspartei, daß dieser Fall nur die Spitze eines Eisberges sei. Inzwischen liegen Informationen vor, wonach auch freie Mitarbeiter des SFB Honorare von der Werbeagentur bezogen haben. Daß die „Trick–Kiste“ aufflog, ist nach Meinung von Insidern dem seit längerer Zeit tobenden Kleinkrieg der Berliner Werbeagenturen zu verdanken. Insbe sondere die GKM konnte sich neben dem Auftrag für die „Qualifizierungsoffensive“ unter dubiosen Umständen den 3,26 Millionen DM schweren „Berlin tut gut“–Etat unter den Nagel reißen. Dabei hatte sie die Unterstützung eines Referatsleiters der Wirtschaftsverwaltung, Detlef Fricke. Dem FDP–Ortsvorsitzenden sagt man einen aufwendigen Lebensstil (Haus auf Sylt) nach. Die GKM betreute den 85er Wahlkampf der Liberalen „und hat“, so ein Branchendienst letzte Woche, „erhebliche Schulden bei der GKM“, für die sie „entschädigt“ werden soll. Außerdem lag die Werbung des „Beton– und Senatsfunks“ Radio 100,6, eine private Welle des Ex–Filmemachers Schamoni, in ihren Händen. Fricke, der vor einem halben Jahr zum Regierungsdirektor aufstieg, gilt als künftiger Geschäftsführer des ab 1988 privatisierten Berliner Verkehrsamtes. Da sei es gut, wenn er schon heute der Werbeagentur Verträge zuschustere, mit der er zukünftig zusammenarbeiten werde, heißt es in der Branche neidvoll.