Der SFB auf dem Weg vom Rundfunk zum Rumpffunk

■ Beim Sender Freies Berlin soll massiv gespart werden / Redakteure versammeln sich, um „Rotstift–Pläne“ zu kritisieren / Ausdünnung und Verdünnung des Programms befürchtet

Von Benedict M. Mülder

Berlin (taz) - „Wir gehen bereits am Stock, und nun wollen sie unsere Etats weiter kürzen“, klagen Redakteure und Mitarbeiter des Sender Freies Berlin (SFB). Auf einer Redakteursversammlung will man heute die gegenwärtig in diversen Gremiensitzungen hin– und hergewälzten „Rotstift– Pläne“ einer heftigen Kritik unterziehen. Zwar sind unruhestiftende Berichte wie in der FAZ, wonach gleich zwei Hörfunk–Wellen ersatzlos gestrichen werden sollen, inzwischen vom Intendanten Herrmann dementiert worden, doch Einsparungen von 3,6 Mio. Mark stehen ins Radio–Haus. Es geht nach bisher inoffiziellen Informationen vor allem um die zweistündige Jugendsendung tam–tam am Nachmittag auf SFB2, um Kultur– und Wissenschaftssparten auf den Nachbarwellen SFB1 und 3 und um die Hauptabteilung Musik. tam–tam soll ersatzlos gestrichen werden, nicht nur, um 230.000 Mark einzusparen, sondern auch, so der bissige Kommentar eines Redakteurs, um den „Störfaktor Jugend und Kinder“ aus der im dreieinhalb–Minuten–Takt gestylten Magazin–Welle herauszunehmen. Manche befürchten, daß es auch dem polit–progressiven sf–beat am Abend - das Wort vom Rotfunk macht wieder die Runde - an den Kragen geht. Hier, auf dem Flaggschiff von SFB2 mit dem Motto „die schnelle Welle“, sollen 300.000 Mark eingespart werden. Im Bereich der Kultur ist von 1,29 Millionen Mark die Rede, der Sparbetrag für die Hauptabteilung Musik hingegen ist noch nicht näher beziffert. „Unter dem Druck des Verwaltungsrates“, monierte ein Redaktionsvertreter, „pickt sich die Leitung des Hauses einzelne Steinchen heraus, ohne daß ein Konzept dabei sichtbar wird“. Da sei lediglich von „Konsolidierung und Gesundschrumpfung“ die Rede, aber nicht mehr von der Grundversorgung, zu der der Rundfunk verpflichtet sei. Leidtragende seien das Programm und letztlich auch „eine Menge freier Mitarbeiter“. Daran erinnerte jetzt auch ein journalistischer Betriebsberater vom WDR, der sich entsetzt darüber zeigte, „mit wie wenig Geld und Leuten die in Berlin Hörfunk machen“. Er rechnete für 1988 einen Bedarf von 23,7 Mio. Mark aus, dem als Budjet in diesem Jahr 18,1 Mio. Mark gegenüberstehen. Statt nun aber das ohnehin existierende Loch zu stopfen, sind lediglich Etaterhöhungen bis auf 20,1 Mio. DM vorgesehen. „Rundfunk wird so Rumpffunk“, befürchten die Kritiker und verweisen auf die üppigen Gehälter in den oberen Etagen. Nicht nur das, schließlich müssen sie auch mit ansehen, wie die Hauptabteilung Unterhaltung im SFB–Fernsehen für Schlagzeilen und zusätzliches Chaos sorgt. Die Leute– Redaktion soll ausgetauscht, mit dem die regionale Abendschau verlassenden Gerd Ellinghaus ein neues Berlin–Magazin aus dem Boden gestampft werden - dabei gibt es das schon, die Berliner Ansichten, was die Aussichten ingesamt auch nicht besser macht. Da, wo wirklich gespart werden könne, im Bereich Organisation und Verwaltung, so Stimmen im SFB, traue man sich nicht dran. Da gehe es wohl zu sehr um die eigenen Töpfe. Am Freitag hat der Verwaltungsrat das Wort. at