Sri Lanka: Die Kämpfe gehen weiter

■ „Binnen Minuten werden die Guerilleros zu Zivilisten“ / Erstmals konnten Journalisten die Kämpfe im Norden Sri Lankas beobachten / Die Stadt ist vermint und der Widerstand ungebrochen

Von Loren Jenkins

Jaffna (wps) - „Ich glaube ,die letzte Schlacht ist geschlagen. Wir haben die Guerilla umzingelt, und jetzt werden wir sie uns vornehmen.“ Also sprach Generalmajor Amrjit Singh Kalkat, Oberbefehlshaber des Südkommandos der indischen Truppen am Samstag im alten holländischen Fort in der srilankanischen Tamilenhochburg Jaffna. Doch kaum hatte er geendet, war draußen das scharfe Krachen von Schüssen zu hören, gefolgt von Maschinengewehrsalven, explodierenden Bomben und Artilleriefeuer. Während der indische General darauf bestand, die „Liberation Tigers of Tamil Eelam“ seien besiegt, und indische Medien schon seit einer Woche vermelden, die Einnahme der Stadt stünde kurz bevor, fanden die ersten ausländischen Journalisten, die Jaffna am Samstag wenige Stunden besuchen konnten, eine völlig andere Situation vor. Zwar haben die Inder unter Aufbietung von mindestens einer Division gutausgebildeter Elitesoldaten tatsächlich die meisten strategisch wichtigen Plätze und Gebäude erobert. Doch die sind stark vermint und unbegehbar. Der Widerstand der rund 1.500 Guerillakämpfer ist erstaunlich erfolgreich und wird nach wie vor von der Bevölkerung unterstützt. „Sie schießen und rennen weg. Wenn wir ihnen folgen, steht hinter dem nächsten Baum noch einer, der versucht, uns mit einer ferngezündeten Bombe hochgehen zu lassen“, beschrieb ein indischer Offizier frustriert die typische „Hit–and–run“–Taktik der Rebellen, die die mit ihrer Ausrüstung hoch überlegene indische Armee mit allerlei Verkleidungsspielchen an der Nase herumführt. „Wir können die Tigers kaum von Zivilisten unterscheiden. Sie feuern auf uns, werfen die Waffe weg, ziehen sich um und mischen sich unter die tamilischen Flüchtlinge. So schlüpfen sie leicht durch unsere Verteidigungslinien. Dann holen sie sich von einem anderen Stützpunkt neue Waffen und greifen uns von hinten an.“ Weil er die militärische Lage falsch eingeschätzt habe, wurde der Oberbefehlshaber der indischen Truppen am Wochenende ausgetauscht: In zwei Wochen sind nach offiziellen Angaben 160 Soldaten getötet und über 500 verwundet worden. Die Verluste der Tigers sollen höher sein, doch wie hoch genau, darauf mag sich in Jaffna niemand festlegen. Die - aus der Sicht New Delhis - bedrohlichste Vermutung ist jedoch, daß die verlustreichen Kämpfe für die Guerillaführung nur noch ein Nebenkriegsschauplatz ist, auf dem die junge Nachhut geopfert wird. Die Inder fahndeten beispielsweise Ende vergangener Woche nach einem elfjährigen Mädchen, das für den Tod von sieben Soldaten verantwortlich sein soll: Die Tigers setzen oft Kinder ein, um Minen zu legen. Hohe srilankanische Offizielle äußern den Verdacht, daß die wichtigsten LTTE–Kader sich längst aus der Stadt zurückgezogen haben. LTTE–Chef Prabakaran soll gar weiter südlich in Mannar ein neues Hauptquartier eingerichtet haben. Colombo/Neu Delhi (dpa) - Indien bereitet angeblich die Übernahme der Verwaltung in der srilankanischen Provinzhauptstadt durch eigene Beamte vor. Wie die indische Sonntagszeitung Sunday Observer unter Berufung auf informierte Kreise im Innenministerium berichtete, hat Neu Delhi 16 tamilisch sprechende Beamte des Elite–Verwaltungsdienstes (IAS) gebeten, sich für den Einsatz in Sri Lanka bereitzuhalten.