Freispruch für Meineid–Polizisten

■ Das Berliner Landgericht sprach zwei hohe Polizeibeamte frei / Ein Gerücht begründete die Zweifel des Gerichts an ihrem Meineid / Der Hintergrund des Falls: Ein von der Polizei erschossener 18jähriger Einbrecher

Aus Berlin P. Plarre

Im Zweifel für die Angeklagten - dieser hehre Grundsatz verhalf gestern zwei hohen wegen Meineids angeklagten Polizeibeamten aus Berlin zu einem Freispruch. Vor dem Berliner Landgericht war gegen den leitenden Berliner Polizeidirektor Günther Waldow (51) und den früheren Polizeipressesprecher Hans Eberhard Schultz (44) verhandelt worden. Hintergrund des Verfahrens gegen die Polizeioberen war der Prozeß gegen den Polizeibeamten Jörg Rosentreter, der im November 1982 in Berlin–Schöneberg einen 18jährigen Schüler bei einem Einbruchversuch von hinten erschossen hatte. Als Mitglieder einer mit hochkrätigen Beamten besetzten sogenannten Schußwaffengebrauchskommssion (SchuKo) sollen Waldow und Schultz in zwei Prozessen gegen Rosentreter die Unwahrheit gesagt und Meineide geschworen haben. Die inzwischen aufgelöste Kommission hatte seinerzeit als polizeiinternes Gremium erste Vernehmungen in dem Todesfall durchgeführt und einen Bericht für die Presse gefertigt. In zwei Prozessen gegen Rosentreter war herausgekommen, daß erste Ermittlungsberichte des Tathergangs manipuliert worden waren: Rangniedere Beamte, die in ihrem Bericht zunächst von einer Notwehr Rosentreters gesprochen hatten, hatten diesen auf Geheiß der SchuKo in eine neutrale Fassung umschreiben müssen. Welcher der hochkarätigen Kommissionsmitglieder die Anweisung dazu gab, wurde nie geklärt. Es blieb genauso ungeklärt, wer in jener Nacht den von einem Zeugen vor Gericht wiedergegebenen Satz fallen ließ: „Die Notwehrschilderung können wir unserem Präsidenten nicht anbieten.“ Der Polzeipressesprecher Schultz stand jetzt vor Gericht, weil er in den Rosentreter–Prozessen behauptet hatte, nichts davon gehört zu haben, daß der Schütze sich auf Notwehr berief. Der damalige Kommissionsvorsitzende Waldow hatte die Notwehrbekundungen Rosentreters in dessen Prozessen zwar bestätigt, aber abgestritten, von den manipulierten Berichten Kenntnis gehabt zu haben. Mehrere rangniedere Beamte sagten jedoch aus, der Bericht sei Waldow angekündigt worden. Den Freispruch für Schultz begründete das Gericht gestern damit, „nichts Entscheidendes“ habe die Anklage stützen können. Bei Waldow hingegen sei die Beweislage „wesentlich kritischer“, weil die Aussagen der rangniederen Beamten schlüssig „ineinander greifen wie ein Uhrwerk“. Die Beweislage wäre „eindeutig“, so das Gericht, hätte auf dem Polizeiabschnitt nicht „ein Gerücht“ kurisert, daß nicht Waldow sondern ein anderes Kommissionsmitglied die Anweisung zur Manipuliation der Berichte gegeben haben soll. Aufgrund der „kollektiven Erinnerungslosigkeit“ zahlreicher Polizeizeugen habe sich diese „Hypothese“ im Prozeß jedoch nicht überprüfen lassen: ein sicherer Schuldnachweis für Waldow sei somit nicht zu erbringen gewesen. Beide Angeklagten hatten in dem Prozeß ihre Unschuld beteuert. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Verurteilung wegen eines minderschweren Falls von Meineid verlangt und Freiheitsstrafen unter einem Jahr gefordert. K O M M E N T A R E