Nach sechs Jahren Exil Knast statt Amnestie

■ Die deutsche Schrift– stellerin Katharina De Fries sitzt seit Dienstag in französischer Auslieferungshaft 1981 nach Überfall ins Exil nach Paris / Mitterand verweigerte damals die Auslieferung

Von Thomas Schmid Berlin (taz) - Die erste und einzige Deutsche, die nach dem Krieg in Frankreich eine politische Zuflucht fand, sitzt in Auslieferungshaft. Sechs Jahre lang erneuerten die französischen Behörden alle drei Monate die Aufenthaltserlaubnis der Kinderbuchautorin und langjährigen taz– Korrespondentin Katherina de Fries, das letzte Mal vor zwei Wochen. Am Dienstag früh um acht wurde sie nun in ihrem Haus in Montaigu–Les– Bois, einem abgelegenen Dorf in der Normandie, festgenommen und is Gefängnis von Caen überführt. Die Bundesregierung hatte im April ein neues Auslieferungsgesuch gestellt. Dieser Antrag ist nicht von der Bundesanwaltschaft angeregt worden, wie deren Sprecher, Alexander Prechtel, der taz gegenüber betonte. Seine Behörde habe kein Interesse an Frau de Fries und sei für ihre Festsetzung nicht verantwortlich und habe mit dem Fall nichts zu tun. Aus dem Bundesjustizministerium verlautete, die Bundesregierung sei vom Amtsgericht Berlin–Tiergarten ersucht worden, eineAuslieferung zu beantragen. Volker Kaehne, Pressesprecher des Berliner Justizsenators, bestätigte der taz gegenüber, daß seine Behörde an einer Auslieferung interessiert sei. De Fries habe mit einer erheblichen Gefängnisstrafe zu rechnen. Es handele sich bei ihr nicht um einen politischen Fall, sie werde wie jede andere Bankräuberin auch behandelt werden. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4

Foto: Ekko v. Schwichow Die Anklage wegen Paragraph 129a (Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung), wurde offenbar fallen gelassen. Katherina de Fries war im November 1980 in Berlin festgenommen worden, als sie mit Hilfe einer Schreckschußpistole einen Geldboten eines Supermarkts überfiel. Nach einem Monat Gefängnis wurde sie gegen eine Kaution aus der Haft entlassen, tauchte unter und setzte sich im Februar 1981 mit ihrer dreijährigen Tochter nach Paris ab. Dort wurde sie im Juni 1981 bei einer Razzia der Polizei gegen eine Gruppe von Anarchisten festgenommen. Die Anklagekammer des Pariser Appellationsgerichtshofes befürwortete am 16.September desselben Jahres ihre Ausweisung in die Bundesrepublik, wo sie wegen räuberischer Erpressung und - einer schnell angedichteten - Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gesucht wurde. Doch Mitterrand legte sein Veto ein. Prominente wie Wim Wenders, Gilles Deleuze, Bruno Ganz und Gilles Perrault hatten ihn öffentlich an sein Versprechen vor seinem Wahlsieg im Mai des selben Jahres erinnert: Mitterand hatte damals angekündigt, er wolle niemanden ausliefern, der einen politischen Prozeß zu erwarten hätte. Katherina de Fries durfte also bleiben. Politisches Asyl wurde ihr allerdings nie zugestanden. Dann wurde es still um die Deutsche im französischen Exil - bis zum Juni 1984, als sie in der Normandie „zum Zwecke der Ausweisung“, wie ihr der Gendarm verlas, festgenommen wurde. Doch handelte es sich damals offenbar lediglich um eine Maßnahme zum Schutz ausländischer Staatsoberhäupter, die zu den Feierlichkeiten anläßlich des 40.Jahrestages der Landung der Alliierten erwartet wurden. Katherina de Fries wurde polizeilich für einen Tag nach Südfrankreich verfrachtet. Die taz–Reportage über das große Ereignis an der französischen Küste fiel flach. Im Jahr 1987 weht längst ein neuer Wind. Mitterrand muß sich mit seiner Rechtsregierung von Chirac arrangieren und Frankreich hat im letzten Jahr die Konvention des Europarates über Auslieferungen aus dem Jahr 1957 ratifiziert. Am 4. November wird das Appellationsgericht von Caen über den deutschen Auslieferungsantrag entscheiden. Katherina de Fries, die sich vor sieben Jahren auf eine ungewöhnliche Art Geld zur Finanzierung eines alternativen Projekts besorgen wollte, wird nun nicht mehr der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung bezichtigt. Sie ist nun - um mit Kaehne zu sprechen - eine gewöhnliche Bankräuberin. Und hatte die heute 53jährige Autorin von „Gestreifter Himmel“ und den Hörspielen „Posträuber“ und „Schmidtchen flippt aus“ nicht 1982 geschrieben: „Mütter sind prädestinierte Bankräuber, sie haben alle Fähigkeiten, die man dazu braucht. Es gibt keine vergleichbare Situation, die soviel Nervenanspannung, Geduld und Zähigkeit erfordert. Als Mutter trainierst du eigentlich systematisch darauf hin“? Katherina de Fries hat vier Kinder, ein fünftes hat sie adoptiert.