: Frankreich: Waffenhandel für den Sozialismus
■ Diente die Lieferung von 450.000 Granaten an das Khomeini–Regime im Iran der Finanzierung der Sozialistischen Partei Frankreichs? Geheimer Untersuchungsbericht sorgt für Schlagzeilen in der Presse und unverhohlener Freude bei den Konservativen
Aus Paris Georg Blume
Die Granaten hatten Spätzündung, zumindest in Paris. Fast zwei Jahre nach Bekanntwerden französischer Granatenlieferungen (Stückzahl: 450.000) an den Iran steht nach Zeitungsberichten vom Montag die Sozialistische Partei (PS) unter der Anklage, finanziell von dem Waffenhandel profitiert zu haben. Kurz vor dem Präsidentschaftswahlkampf eröffnet sich Frankreich wohlmöglich der Blick auf einen Parteifinanzierungsskandal erster Wahl. Allerdings ist erkennbar, daß die jetzigen Enthüllungen von Regie rungsseite vorprogrammiert wurden. Nicht die Presse deckt den Skandal auf, sondern sie liefert der Regierung die Plattform. Es ist ein bisher geheimgehaltener Untersuchungbericht des französischen Verteidigungsministeriums, der der französischen Öffentlichkeit heute dokumentiert, daß die PS über Freunde des ehemaligen sozialistischen Verteidigungsministers Charles Hernu etwa 1 Million DM aus den Kassen des französischen Waffenexporteurs Luchaire bezogen hat. Luchaire hatte von 1983–86 Granaten und anderes Sprengmaterial an Teheran verkauft - ille gal, denn auch Frankreich hatte Waffenlieferungen an den Iran verboten. Dies konnte nicht, so war bald klar, ohne politische Deckung durch das Verteidigungsministerium geschehen sein. Deshalb ging nach dem Pariser Regierungswechsel im März 1986 der Untersuchungsbericht in Auftrag, der - im Herbst letzten Jahres fertiggestellt - nunmehr zeitgerecht zu den kommenden Wahlen in die Presse lanciert wurde. Der Bericht gewinnt seine Glaubwürdigkeit durch den Herkunftsort, das Verteidigungsministerium. Einige Freunde Hernus sollen auch persönlich aus dem Geschäft profitiert haben, so u.a. Franois Diaz, der sozialistische Schatzmeister im Wahlkreis Hernus. Der Bericht kann jedoch offenbar die finanziellen Operationen schriftlich nicht dokumentieren. Vielleicht aus diesem Grunde hat die Sozialistische Partei am Montag die Veröffentlichung des Berichts verlangt. Parteisprecher Queyranne leugnete jede Verwicklung und sprach von einer „politischen Operation“ gegen seine Partei. Die politische Erfahrung in Frankreich zeigt, daß solche Ausflüchte genügen können, um einen möglichen Skandal unter den Teppich zu schieben. Schatzmeister französischer Parteien sind zu keiner öffentlichen Rechenschaftsablegung verpflichtet. Einen Parteifinanzierungsskandal hat es in der Republik noch nie gegeben - zumindest wurde noch nie einer aufgedeckt.
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