Der Dollar schlägt alle Rekorde

■ Bisheriger historischer Tiefstkurs mit 1,7050 DM eingeholt / Bundesbank–Interventionen kosteten letzte Woche acht Milliarden Dollar / „Geist von Louvre“ hat ausgespukt / Dollarstützung fehlgeschlagen

Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Der Dollar ist geschafft - gestern fiel der amtliche Schlußkurs der US–Währung an der Frankfurter Devisenbörse gegenüber der Mark auf seinen absoluten Tiefststand seit seinem Bestehen: 1,7050 DM. Damit ist der 3. Januar 1980 als Rekordtief (1,7061) abgelöst. Der Abwärtstrend wurde vor gut zwei Wochen eingeleitet. US– Finanzminister Baker hatte seinerzeit angedroht, die eigene Währung abzuwerten, um der US– Wirtschaft auf dem Weltmarkt größere Konkurrenzfähigkeit zu verpassen, wenn die Bundesrepublik und Japan ihre Wirtschaft nicht auf stärkeren Wachstumskurs brächten. Mehr Wachstum in diesen Ländern sollte zu mehr Importen aus den USA führen. Bakers Worte lösten eine allgemeine Krise des Vertrauens in die Verfassung der Weltwirtschaft aus. Der bisherige Tiefststand 1980 war gleichzeitig der Beginn eines beispiellosen Anstiegs eines Währungskurses. Völlig entgegen dem Verhältnis von Kaufkraft und Inflationsrate zwischen den USA und ihren wichtigsten Handelspartnern wie auch im eklatanten Widerspruch zum immer größeren US–Handelsbilanzdefizit kletterte der Kurs des Dollars bis auf 3,50 DM im Jahre 1985. Der Grund: Die US–Zentralbank zog das Zinsniveau zwischen Ost– und Westküste scharf an. Eine Prime Rate (Zinssatz für solventeste Bankkunden) von über 20 Prozent lockte Anleger ins Land, die sich dafür mit Dollars eindeckten, und über diese Nachfragesteigerung seinen Kurs in die Höhe trieben. Doppelte Verlierer in diesem Spiel waren die verschuldeten Entwicklungsländer. Zum einen mußten sie die - weil im Prinzip flexiblen - steigenden Zinsen auf ihre Dollarkredite bezahlen. Zum zweiten wurden auch für sie die Dollars, die sie für Zins und Tilgung brauchten, immer teurer. Seit 1973 „floatet“ der Dollar frei auf den Devisenmärkten, das heißt sein Kurs richtet sich lediglich nach dem dort herrschenden Angebot und der Nachfrage. Die Zentralbanken der Industriestaaten „intervenieren“ auf diesen Märkten zwar, sie versuchen also, durch Kauf und Verkauf den Kurs zu beeinflussen. Eine Kursgarantie der Zentralbanken, die einen festen Wechselkurs bedeuten würde - wie etwa innerhalb des europäischen Währungssystems (EWS) - besteht jedoch seit je nem Jahr nicht mehr. Aber auch vor 1973 hatte es mehrere Abwertungen des Dollars gegeben (1949: 4,20 DM, 1961: 4,00 DM, 1969: 3,66 DM). Spätestens seit gestern muß nun Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg aufhören, öffentlich den „Geist von Louvre“ zu beschwören. In ihrem Pariser Abkommen vom Februar dieses Jahres hatten die Finanzminister der sieben wichtigsten Industrienationen (“G–7“) hinter verschlossenen Türen und inoffiziell beschlossen, den Dollar mit Hilfe von An– und -verkäufen bei etwa 1,80 DM festzuzurren. Der vergebliche Versuch, den Absturz der US–Währung durch Stützungskäufe zu verhindern, kostete beispielsweise die Deutsche Bundesbank allein in der vergangenen Woche Gelder von umgerechnet über acht Milliarden Dollar.