Ruf nach verschärften Gesetzen

■ Kabinett und Innenausschuß tagten zu den Ereignissen an der Frankfurter Startbahn / Bundesregierung distanziert sich von der Auffassung von Verfassungsschützer Lochte / Schüsse seien kein einmaliger Vorgang

Von Ch. Wiedemann/O. Tolmein

Bonn (taz) - Nach den Frankfurter Ereignissen schließt die Bundesregierung nicht aus, daß verschärfte Gesetze zur Inneren Sicherheit schon zum Jahresbeginn in Kraft treten könnten. Darüber hinaus wird erwogen, eine Einsatzreserve des Bundesgrenzschutzes (BGS) zum Einsatz gegen Demonstrationen aufzustellen. Das Kabinett beschloß gestern unter Beteiligung der hessischen Landesregierung, daß bis zum 2. Dezember Berichte über die Novellierung der Gesetze zum Vermummungsverbot, Landfriedensbruch und Versammlungsgesetz vorgelegt und dann darüber Beschlüsse gefaßt werden. Über Details der erwogenen Gesetzesmaßnahmen wollten auf einer Pressekonferenz weder Regierungssprecher Ost noch Hessens Ministerpräsident Walter Wallmann Angaben machen. Jedoch hieß es auf die Frage, ob dazu auch eine verschärfte Vorbeugehaft gehöre: „Es gibt überhaupt nichts, was in diesem Zusammenhang ausgeschlossen ist.“ Auf der Kabinettssitzung am 2. Dezember soll gleichfalls über eine neue Ausrüstung der Polizei und die Aufstellung einer BGS– Reserve entschieden werden. In bezug auf den Möllemann–Vorschlag vom Sommer, die GSG 9 gegen Demonstranten einzusetzen, sagte Regierungssprecher Ost, die jetzigen Vorschläge könnten „in diese Richtung laufen“. Wallmann kündigte an, daß voraussichtlich auch in Hessen eine BGS–Einheit aufgestellt würde, betonte aber ansonsten, es gehe jetzt nicht um hessische Alleingänge oder ein hessisches Problem: „Es ist eine Herausforderung für den ganzen Staat. Wir sehen uns einer neuen Dimension und Qualität der Gewalt gegenüber. Wir wollen eine Gesamtlösung.“ Sowohl hessische Landesregierung wie Bundesregierung distanzierten sich von der Auffassung des Hamburger Verfassungsschutz–Chefs Lochte, daß der Schutzwaffeneinsatz ein einmaliger Vorgang sei. Zur Diskussion in der FDP sagte Wallmanns freidemokratischer Stellvertreter Gerhardt, entscheidend sei nun, ob die Polizei selber das Vermummungsverbot neu bewerte: „Es geht nicht um das Umstürzen ganzer Beschlußlagen, aber um Einsicht in neue Notwendigkeiten.“ Der Staat dürfe sich nicht ohnmächtig zeigen. Am Freitag wird sich die Innenministerkonferenz mit dem Themenkomplex befassen. Es ist geplant, daß sich CDU/CSU–Innenminister mit den Innenpolitikern der Unionsfraktion am Donnerstag vorab besprechen. In der gestrigen Sitzung des Innenausschusses wurde das Thema ebenfalls kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzt, allerdings sollte es vor allem um Informationen gehen. Der hessische Innenminister Milde warnte dabei vor „voreiligen Beschlüssen“, insbesondere sei die Erklärung von FDP–Politikern voreilig gewesen, keine neuen Gesetze unterstützten zu wollen. Ansonsten kam es aber in der mehrstündigen Sitzung zu keinen scharfen Kontroversen: weder unter den Koalitionsfraktionen noch zwischen CDU/CSU und Grünen. Kritik wurde von FDP und Grünen–PolitikerInnen an Generalbundesanwalt Rebmann geübt, der schon gestern behauptete zu wissen, daß die Schüsse von „vermummten Demonstranten“ abgefeuert worden seien, obwohl es dafür keine Augenzeugen gebe, also niemand wissen könne, ob die Täter wirklich vermummt waren.