Imagepflege für Äthiopiens Militärs

■ Vize–Präsident besucht BRD / Demokratische Fassade für neue Hungerhilfe

Seit Sonntag befindet sich Äthiopiens erster Vizepräsident Fisseha Desta auf Handelsreise durch vier europäische Hauptstädte. Bis Mittwoch wird er in Bonn die neuen - formell demokratischen - Institutionen der Volksrepublik und die Autonomieregelungen für verschiedene Provinzen anpreisen. Den Ministern in seinem Troß geht es dagegen hauptsächlich um Hilfs– und Handelsabkommen. Zeitlich gut abgestimmt hat FAO–Generaldirektor Saouma vor einer neuen Hungersnot gewarnt.

Die Tournee des äthiopischen Vize Fisseha Desta ist die erste Westeuropareise eines Mitglieds der innersten Machtclique des Regimes in Adis Abbeba. Verdrängt ist die öffentliche Empörung über die Zwangsumsiedlungen und Verdorfungsaktionen der letzten Jahre, in denen bislang drei Millionen Bauern von ihren traditionellen Siedlungen vertrieben wurden. Die äthiopische Regierung sonnt sich im Glanz ihrer neuen Institutionen. Zwar ist das Personal der Militärdiktatur übergangslos in die neuen Machtgefässe „hineingewählt“ worden, doch formell besitzt Äthiopien seit September ein Parlament, das den Präsidenten der Republik (und alten Militärratsvorsitzenden Mengistu Haile Mariam), den Staatsrat und den Ministerrat gewählt hat. Fisseha Desta ist ein Paradebeispiel für den bruchlosen Übergang: der ehutige Vize und strikte Mengistu–Loyalist diente vor dem Ausbruch der Revolution 1974 in der kaiserlichen Palastwache und wurde danach in den stehenden Ausschuss des Militärrates berufen. Nicht viel anders kam das 835 Sitze umfassende Parlament zustande, das überdies nur einmal im Jahr tagen soll. Zwar standen in jedem Wahlkreis zunächst drei von der Partei handverlesene Kandidaten zur Auswahl. Doch vor der entscheidenden Versammlung zogen sich in der Regel zwei von ihnen „freiwillig“ zurück. So erklärten die Konkurrenten von Oberst Mengistu beispielsweise, sie „könnten es nicht wagen, gegen einen so weisen und erprobten Menschenführer“ anzutreten“. Andere Parlamentarier möchten ihr Mandat am liebsten so schnell wie möglich wieder loswerden: zum Beispiel der islamische Würdenträger Hadsch Sani, den der frühere Militärrat DERG schon gegen seinen Willen in die Verfassungskommission berief. Als Hadsch Sani seine Unterschrift unter den endgültigen Entwurf verweigerte, wurde er kurzerhand unter Hausarrest gestellt. In den umkämpften oder von den Guerillabewegungen kontrollierten Gebieten fanden die Wahlen zumeist schlichtweg nicht statt. Nach Angaben von Beobachtern, die der eritreischen Befreiungsfront EPLF nahestehen, gingen maximal 100 000 der 3,5 Mio Eritreer zur Urne. Der Kommandeur der äthiopischen Streikräfte in Eritrea, Generalmajor Regassa Jimma „errang“ sein Abgeordnetenmandat in einem Dorf, das bereits vor Jahren von der Armee dem Erdboden gleichgemacht wurde. Es soll heute unbewohnt sein und überdies in von Rebellen kontrolliertem Gebiet liegen. Wie weit geht die Autonomie? Das Juwel des äthiopischen Übergangs vom Militär– zum Zivilregime aber ist die Regionalisierung, die der Shengo am 10 September zusammen mit der Proklamierung der Volksrepublik beschloss. An die Stelle der 14 alten Verwaltungsregionen treten in Zukunft 24 neue sowie die fünf Autonomen Regionen Eritrea, Assab, Tigray, Dire Dawa und Ogaden mit einem Status der weit gehenden Selbstbestimmung,– ein offensichtlicher Versuch, den Forderungen der Guerillabewegungen der Eritreer, Tigray und Oromo entgegenzukommen. Die neue Verfassung erlaubt die Wahl von Regionalparlamenten, die einen eigenen Haushalt aufstellen und eigene Gesetze verabschieden können (wobei die Beschlüsse allerdings dem Parlament zur Zustimmung vorgelegt werden müssen) Eritrea soll es darüberhinaus zugestanden werden, eigenständig Industrien zu entwicklen und eigene Schulen aufzubauen, - ein alter Streipunkt der überwiegend moslemischen Region mit der christianisierten Hauptstadt. Obwohl die neue Regelung auf den ersten Blick attraktiv erscheint, zeigt schon die geographische Gestaltung der autonomen Regionen eher strategische als friedensstiftende Absichten. Eritrea wird um das Gebiet der Af far–Nomaden verkürzt und in drei Unterzonen eingeteilt. Die Bildung der kleinen Region Dire Dawa dient hauptsächlich der Zementierung des aussenpolitischen Einflusses auf den benachbarten Zwergstaat Djibouti. Einzig die Regionen Ogaden und Tigray entsprechen annähernd dem Aktionsradius der Bewegungen der Tigray und Westsomali. Dafür fehlen die Oromo,( nach offiziellen Schätzungen mindestens 30 Bevölkerung , nach inoffiziellen über 50 Dementsprechen beurteilten die Guerillabewegungen die neuen Regelungen bislang skeptisch (Tigray) bis ablehnend (Eritreer). Mißlungene Dorfbildung Die in den vergangenen drei Jahren forciert betriebenen sogenannten Verdorfungsprogramme wurden in letzter Zeit zwar verlangsamt, doch auch hier ist es dem Regime in Adis Abeba nicht gelungen, seine Versprechen einzulösen. Zwar werden Reporter immer wieder in „funktionierende“ neue Dörfer eingeladen, doch internationale Beobachter stimmen darin überein, daß die absolute Mehrheit der 1984 bis 86 umgesiedelten drei Millionen Bauern weder mit Wasser und Strom versorgt wurden, noch sich in den neuen Siedlungen selbt ernähren können. Der einzige Regierungsservice, der auch die nicht von internationalen Organisationen unterstützten Dörfer erreicht, ist meist ein Alphabetisierungskurs,– in Amharisch versteht sich. Oft erfolgen die Umsiedlungen zur falschen Zeit, sodaß die Feldbestellunge nicht möglich ist. Tiere und Haushaltsgegenstände müssen bei den übereilten Aktionen zurückgelassen werden und der Zugewinn an Land wird teilweise zunichtegemacht durch den Verlust an Obstbäumen und anderen Dauerkulturen. Ein Besucher, der vor kurzem von Adis Abbeba aus nach Westen fuhr, erblickte das folgende absurde Szenario: zusammen mit ihm strebten hunderte von Oromos den nächsten lokalen Märkten zu, um ihre Haustiere und anderen Besitz zu verkaufen, bevor sie umgesiedelt wurden. Auf der gegenüberliegenden Seite kamen ihm hundernde zerlumpte Gestalten entgegen: ehemalie Bauern aus den Nordprovinzen Wollo und Tigray, die umgesiedelt worden waren und jetzt verzweifelt wieder in ihre heimatdörfer zu gelangen versuchten. Peter Niggli/NB