Countdown in Hamburg

■ Zieht Senat Vertragsentwurf zurück? / SPD–Linke appelliert an beide Seiten / Letzte Frist heute 15 Uhr

Aus Hamburg Axel Kintzinger

Trotz des Zugeständnisses der Hafenstraßenbewohner, zumindest die Stacheldrahtrollen von den Dächern der umkämpften Häuser zu demontieren, glaubt momentan kaum noch jemand an eine friedliche Lösung dieses Hamburger Dauerbrenners. Nach einer mehrstündigen Sondersitzung entschied die sozialliberale Stadtregierung gestern, den vorgelegten Vertragsentwurf zurückzuziehen, wenn nicht heute 15 Uhr - eine Stunde vor Beginn der Bürgerschaftssitzung - weitere Abbaumaßnahmen vorgenommen sind. Mit sichtlicher Erregung sagte Bürgermeister Dohnanyi: „Ich bin zornig und enttäuscht. Die Hafenstraße hat falsche und schlechte Berater gehabt.“ Gestern abend hatte die mehrheitlich rechte SPD–Bürgerschaftsfraktion sich darauf geeinigt, daß es keinen weiteren Spielraum mehr für die Hafenstraße gebe und daß auf einem weiteren, wenn nicht gar vollständigen Abbau der vor allem in den Häusern befindlichen Anlagen beharrt werde. Sollten diese Befestigungen bis zum angegebenen Zeitpunkt nicht weiter abgebaut worden sein, steht den BewohnerInnen des seit Jahren umkämpften Projektes die Räumung ins Haus. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 Schon kurz vor Bekanntwerden der Senatsentscheidung gingen Räumungsgerüchte wie ein Lauffeuer durch die Stadt. In der aufgebrachten Stimmung wurde jede größere Ansammlung von Polizei als Indiz für einen kurz bevorstehenden Einsatz gewertet. In dieser Situation versuchen Teile der SPD–Linken, mit einem Appell an beide Seiten zur Besinnung aufzurufen. Der stellvertretende SPD– Fraktions–Chef Leonhard Hajen verwies auf das Klima nach den Frankfurter Todesschüssen: „Wer glaubt, daß das Problem nach Räumung und Abriß beendet ist, der irrt.“ Hajen appellierte sowohl an die Hafenstraßen–Bewohner als auch an den rechten Flügel seiner Partei, jetzt noch innezuhalten und die möglichen Folgen einer schon bald vollzogenen Räumung gründlich zu überdenken.