Q U E R S P A L T E Die flambierte Oper

■ Opernbrandstiftung in Frankfurt

Endlich, denkt der Hörer draußen im Lande nach der Morgennachricht. Geht da nicht ein alter Wunschtraum großer Künstler in Erfüllung? Wollte nicht schon Richard Wagner das verhaßte Theater, das ihm Reichtum und Ruhm versagt hatte, mitsamt den Leuten, die ihm am allerwenigsten paßten, angezündet wissen? Wollte nicht ein bekannter Komponist und Dirigent vor 20 Jahren die Opernhäuser in die Luft sprengen - diese Brutstätten des ästhetischen Miefs und der bourgeoisen Selbstbeölung? Die zweite und dritte Generation (und Garnitur) der „negativen Dialektiker“ nickt noch heute mit dem Kopf dazu. Im ersten Augenblick also durfte ein politischer Akt vermutet werden, zumal gerade das Frankfurter Musiktheater mit aller Macht aufs Niveau des Stadttheaters der fünfziger Jahre zurückgeführt, wieder zur ungebrochen repräsentativen Angelegenheit der Oberen Zehntausend gemacht werden sollte. Aber, so denkt man, kein Fanatiker der letzten sieben künstlerisch fetten Jahre wird jetzt, da die neue Truppe ihre ersten Offenbarungseide leistet, das Haus flambieren! Man verwirft auch den Gedanken, daß es ein frustrierter Freund des hohen C gewesen sein könnte, der letzte Woche um seine A–Premiere von Mozarts „Cosi fan tutte“ gebracht wurde. Die Musikkritiker verdienen, wenn was stattfindet, also scheiden sie aus der Schar der Tatverdächtigen mangels Motiv aus (und die meisten von ihnen können sich verbal rächen). Bevor noch die Klage über den schweren Verlust der Spielstätte richtig im Land erschallen konnte, wird bereits der Täter präsentiert. Wenn er es war, der 26jähige Wohnsitzlose, und mit diesem Gewaltakt auf seine elende persönliche Lage aufmerksam machen wollte, dann hat er getan, womit die Mode– Denker der späten sechziger Jahre kokettierten, und just zu dem Zeitpunkt, zu dem diese ihr dummes Geschwätz von vorgestern nicht mehr kümmert. Man könnte die hilflose Untat als politischen Akt begreifen - zu dem Zeitpunkt, an dem der verbale Sprengmeister Boulez längst in Bayreuth dirigiert hat und so mancher Opernfeind von gestern heute sein Geld an oder mit der Oper verdient. Der Vormarsch Frankfurts zur bundesdeutschen Kulturmetropole aber hat einen Dämpfer bekommen. Vielleicht weil die Wende Kulturpolitik doch so einseitig denkt und treibt. Frieder Reininghaus