Reibach mit zweierlei Maß

■ Zinsschneiderei der Banken durch OLG Karlsruhe abgesegnet / Kleine Beträge bringen fette Gewinne / Verbraucherzentrale kündigt Revision an

Karlsruhe (taz) - Die bundesdeutschen Kreditinstitute können erst einmal aufatmen. Die Wertstellung für Bareinzahlungen einen Tag nach der Einzahlung entspricht nach Auffassung des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe den gesetzlichen Regelungen. In dieser mit Spannnung erwarteten Entscheidung wies der 10. Senat des OLG eine Klage der Verbraucherzentrale Baden– Württemberg gegen die Heidelberger Bezirkssparkasse ab. Die Verbraucherzentrale hatte in einem Musterprozeß gegen die unterschiedliche Datierung der Bank bei ein– und ausgehenden Geldern geklagt. Der Anlaß war der Fall eines Bankkunden, dessen Konto für eine Überweisung zunächst nicht ausreichend gedeckt war. Deshalb zahlte er erst einen Betrag von 580 DM bar auf sein Konto ein und stellte dann eine Überweisung für 576,84 DM aus. Das geschah an einem Freitag. Die Bank tätigte sofort die Überweisung, belastete das Konto und kassierte entsprechend Soll–Zinsen. Den eingezahlten Bar–Betrag von 580 DM schrieb sie ihrem Kunden dagegen erst am folgenden Montag gut. Diese Praxis der Zinsberechnungen hatte das Landgericht Heidelberg als illegal erklärt. Das OLG hob diese Entscheidung gestern auf. Zur Begründung hieß es, in den Fällen, in denen das Konto überzogen wäre, müßte der Bankkunde ohnehin Zinsen bezahlen und zwar auch für den Tag der Rückzahlung. Wenn das Girokonto sich bei Einzahlung im Haben befinden würde, entstünde dem Kunden keinerlei Nachteil, solange - wie im vorliegenden Fall der Heidelberger Bezirkssparkasse - für Guthaben auf Girokonten sowieso keine Zinsen gezahlt werden. Andere Kreditinstitute bezahlen allerdings ein halbes Prozent Zinsen. Allenfalls dann, wenn das Konto zum Einzahlungszeitpunkt ausgeglichen ist, könnten möglicherweise Zinsen berechnet werden, ohne daß materiell ein Zinsanspruch der Bank für diesen Tag bestünde. Doch auch bei dieser vom Gericht als selten betrachteten Variante, könne der Kunde von der Bank keine Differenzierung nach Soll und Haben verlangen. „Ebensowenig“, so der Vorsitzende Richter in seiner Urteilbegründung, könne von der Bank verlangt werden, „daß sie deshalb die für die Mehrzahl der Buchungen zutreffende Wertstellung“ aufgäbe. Das wäre der Bank schon deshalb nicht zuzumuten, weil dies technisch kaum machbar sei. Im übrigen seien „die dem Kunden durch den einen Tag Verzögerung entstehenden Nachteile“ im Regelfall „derart geringfügig“, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben darin nicht gesehen werden könne. Für Fälle, bei denen größere Beträge über das Konto abgewickelt werden, solle der Kunde „entsprechende Vorsorge treffen“ und eben erst einen Tag nach Einzahlung seine Überweisung ausfüllen, so der Senat. Bei der Entscheidung ging es zwar für den einzelnen um Pfennigbeträge, für die Banken allerdings um rund 2,1 Mrd. DM. Diese Summe schneiden die Banken ihren Kunden durch die bisherige Wertstellungspraxis aus dem Ersparten. Allerdings ist in diesem Streit noch nicht das letzte Wort gesprochen. Die Verbraucherzentrale will nun den Bundesgerichtshof anrufen. Felix Kurz